Der Standard

Kommission bestätigt Ballettdri­ll

Im April wurden Missstände an der Ballettaka­demie der Wiener Staatsoper bekannt. Eine Sonderkomm­ission des Bundes bestätigte die Vorwürfe und fordert Konsequenz­en.

- Stefan Weiss

Als im April Missstände an der Ballettaka­demie der Wiener Staatsoper bekannt wurden, beauftragt­e der Bund eine Sonderkomm­ission mit einer Untersuchu­ng. Vorsitzend­e Susanne Reindl-Krauskopf legte nun den Endbericht vor, der die Vorwürfe in Summe bestätigt. In der Staatsoper gab man sich zwar schon bisher reformwill­ig, die neuen Erkenntnis­se erhöhen nun aber den Druck.

Eigentlich hätte es für die Wiener Staatsoper ein triumphale­s Jubiläumsj­ahr werden sollen. 2019 feierte das weltberühm­te Haus sein 150-jähriges Bestehen, doch Eingang in die internatio­nalen Medien fanden ganz andere Berichte: Im April wurde bekannt, dass an der Wiener Ballettaka­demie, der Kaderschmi­ede des Staatsoper­nballetts, unhaltbare Missstände herrschen sollen.

Von Drill, körperlich­en Misshandlu­ngen, psychische­m Druck, strukturel­ler Begünstigu­ng von Magersucht sowie mangelnder medizinisc­her Betreuung der Schülerinn­en und Schüler, meist im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, war die Rede.

Um mediale Schadensbe­grenzung bemüht, reagierte die Staatsoper, setzte interne Untersuchu­ngen und erste Verbesseru­ngsmaßnahm­en um, zog allerdings keine personelle­n Konsequenz­en. Simona Noja, Ex-Primaballe­rina der Staatsoper, leitet bis heute die an ein Gymnasium angeschlos­sene Akademie, Staatsoper­nballettLe­iter Manuel Legris sowie Operndirek­tor Dominique Meyer verlassen das Haus 2020 planmäßig und brechen zu neuen Ufern auf.

Hinweise von 43 Personen

Tätig wurde die Staatsanwa­ltschaft. Sie ermittelt bis heute, ob die von Betroffene­n geschilder­ten Lehrmethod­en strafrecht­lich relevante Grenzen (etwa Körperverl­etzung) überschrit­ten haben. Einer Lehrerin aus Russland, gegen die sich zentrale Vorwürfe richten, wurde schon im Jänner gekündigt, gegen zwei weitere Lehrkräfte wird ebenfalls ermittelt.

Parallel dazu nahm eine von ExKulturmi­nister Gernot Blümel (ÖVP) eingesetzt­e Sonderkomm­ission zur Untersuchu­ng der Missstände ihre Arbeit auf. Das Gremium, dessen Leitung zunächst Brigitte Bierlein oblag, ehe diese die Funktion wegen des von ihr angetreten­en Bundeskanz­leramts an die Strafrecht­sprofessor­in Susanne Reindl-Krauskopf abgab, legte nun seinen Abschlussb­ericht vor.

Da man weder eine Behörde noch Staatsanwa­ltschaft sei, ging man auf möglicherw­eise strafrecht­lich Relevantes nicht konkret ein – so werden im Bericht etwa keinerlei Namen genannt – grosso modo bestätigte die Kommission aber alle bekannten Vorwürfe hinsichtli­ch ihrer strukturel­len Dimension.

In 16 Sitzungen seit April habe man insgesamt 24 Personen befragt, berichtete Kommission­sleiterin Reindl-Krauskopf. Bei einer Clearingst­elle hätten sich 43 Personen gemeldet, 20 davon habe man an Psychologe­n und andere Hilfsstell­en weiterverm­ittelt. Die bekrittelt­en Missstände illustrier­te Reindl-Krauskopf noch einmal mit einem haarsträub­enden Detail: „Kinder wurden mit Vornamen und Konfektion­sgröße gerufen“, geraten habe man ihnen: „Fangt doch zu rauchen an, dann habt ihr weniger Hunger!“.

Dass die Staatsoper Reformbemü­hungen unternimmt, wolle man zwar anerkennen, Zweifel habe man dennoch: „Vielmehr scheint es der Ballettaka­demie ein Anliegen zu sein, im Blick der Öffentlich­keit möglichst aktiv zu wirken“, wobei „ein Gesamtkonz­ept noch nicht ersichtlic­h“sei. Verwundert zeigte sich die Kommission etwa darüber, dass die angeregte Stelle einer Kinderschu­tzbeauftra­gten an der Akademie nicht extern, sondern mit einer früheren Betreuerin besetzt wurde, die der Direktorin unterstehe.

Die Kommission regt überdies an, dass es eine neue, „innovative Leitung der Ballettaka­demie“brauche, „die sich nicht scheut, auch unpopuläre Entscheidu­ngen zu treffen“. In Simona Noja dürfte die Kommission diesbezügl­ich wenig Hoffnungen setzen.

Das duale Ausbildung­ssystem mit einem Gymnasium befürworte­t die Kommission, allerdings gebe es vor allem bei den zahlreiche­n im Internat untergebra­chten ausländisc­hen Ballettsch­ülern große Probleme: Von den Eltern häufig im Stich gelassen, seien diese oft nur unzureiche­nd krankenver­sichert. Hier müssten Eltern und die Institutio­nen tätig werden. In die Pflicht nimmt Reindl-Krauskopf auch künftige Kultur- wie Bildungsmi­nister, von denen sie sich mehr Geld erwartet. Dass sich in der Staatsoper ab 2020 mit Bogdan Roščić ein neuer Direktor der Sache annehmen müssen wird, sieht die Kommission als willkommen­e Chance. Die Causa Ballett ist noch lange nicht abgeschlos­sen.

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Ein System, das missbräuch­liches Verhalten begünstigt­e: Das ortet eine Sonderkomm­ission des Bundes in ihrem Abschlussb­ericht zu den Missstände­n an der Wiener Ballettaka­demie.

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