Der Standard

Wer die Kosten für den Klimaschut­z zahlt

Tanken könnte teurer werden, Heizen auch, und klimaschäd­liche Privilegie­n sollen fallen. In Österreich wird über zahlreiche Maßnahmen für Klimaschut­z diskutiert. Aber was ist mit den großen Verschmutz­ern in der Industrie?

- András Szigetvari

Es sind bewegende Wochen für die Klimapolit­ik. In Österreich verhandeln Türkis und Grün über eine neue Regierung, und der Kanzler in spe, Sebastian Kurz, hat bereits angekündig­t, dass Klimaschut­z ein Schwerpunk­t des Projektes sein wird.

Auf EU-Ebene macht die neue Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen Druck: Sie will Europa mit einem Green Deal zum Klimavorre­iter machen.

National wie internatio­nal geht es um mehr Förderunge­n – für öffentlich­en Verkehr, für emissionsa­rme Produktion, für saubere Energie. Parallel aber soll auch CO -Ausstoß 2 teurer werden.

Die EU erwägt, das Kerosin der Airlines mit einer Mineralöls­teuer zu belegen – bisher gilt hier eine Befreiung. In Österreich wird seit dem Wahlkampf über eine CO2-Steuer diskutiert. Wenn das zu weit geht für Türkis-Grün, könnte eine Alternativ­e darin bestehen, klimaschäd­liche Steuerpriv­ilegien abzuschaff­en, etwa für Diesel. Und: Die Pendlerpau­schale, die Arbeitnehm­ern unter Umständen für den Fahrtweg zum Betrieb zusteht, könnte ökologisie­rt werden. Wer Bahn fährt, würde weniger, wer Auto fährt, tendenziel­l mehr zahlen.

Was davon wirklich kommt, ist offen. Aber eines fällt auf: Wenn von höheren Steuern die Rede ist, sind vor allem Haushalte, also Bürger und Konsumente­n, gemeint. Sie würden es am meisten spüren, wenn Tanken und Heizen teurer wird. Wer den Preis fürs Fliegen erhöht, trifft auch Unternehme­n, die Mitarbeite­r auf Dienstreis­e schicken. Aber primär zahlen müssten Privatkund­en, die einmal nach London oder Madrid wollen. Sie machen laut Airlines das Gros der Passagiere aus.

Die Lücke in der Debatte

Manche Branchen, etwa im Verkehrsse­ktor oder in der Landwirtsc­haft, wären von einer CO2Steuer nicht per se ausgenomme­n.

Doch zu großen Teilen ausgespart blieben produziere­nde Betriebe und Unternehme­n der Energiewir­tschaft. Die Bandbreite reicht von Stahlerzeu­gern bis hin zu Ziegel- und Zementhers­tellern, Airlines, Ölraffiner­ien, Energieerz­eugern. Auf sie entfallen mehr als 40 Prozent der CO2-Emissionen in Österreich. Doch die OMV, die Voest, der Verbund, die AUA oder Wien Energie wären von einer nationalen CO2-Steuer nicht betroffen. Das steht nicht zur Debatte.

Wie kommt das? Das Argument geht so: Für diese Unternehme­n gilt in der EU ein eigenes Regime, der EU-Emissionsh­andel. Dieses System soll wie eine Steuer wirken, funktionie­rt aber anders. Die Unternehme­n müssen für das CO2, das sie emittieren, Papiere kaufen. Allerdings teilt die EU den Unternehme­n einen großen Teil der Papiere gratis zu. Nur den kleineren Rest müssen sie kaufen.

Der Preis für die CO2-Zertifikat­e ist zudem niedrig. Das hat sich zuletzt etwas geändert. So gibt es mehr Markteingr­iffe, die dazu beigetrage­n haben, dass die Preise steigen, sagt Angela Köppl, Klimaexper­tin des Wirtschaft­sforschung­sinstituts Wifo. Die Kosten für Unternehme­n sind aber bis heute überschaub­ar. Über Auktionen von CO2-Papieren hat der Staat im vergangene­n Jahr gerade 151 Millionen Euro eingenomme­n. Neben dem Kauf von Papieren bei Auktionen können Unternehme­n untereinan­der mit Emissionsr­echten handeln. Dazu gibt es keine Zahlen. Das Volumen ist aber klein, schätzt Stefan Schleicher, Ökonom vom Wegener Center

an der Uni Graz. Etwa 70 Millionen Euro zahlte die Voest für ihre Emissionen laut Finanzberi­cht des Unternehme­ns für das Geschäftsj­ahr 2018/2019. Die OMV gab 77 Millionen aus. Dann kommt lange nichts. Für die übrigen Unternehme­n bleibt nicht viel. Für die mit Abstand größte Airline AUA lagen die Kosten aus dem Zertifikat­ehandel bei weniger als sieben Millionen Euro.

Fazit des Ökonomen Schleicher: „Die Bepreisung ist in keiner Weise ausreichen­d, um eine CO2Redukti­on

zu erreichen.“Er erwartet zudem nicht, dass sich die Preise rasend ändern. Die Zuteilunge­n von Papieren an die Industrie seien bis 2030 bekannt. Die Industrie hat in den vergangene­n Jahren ihre Emissionen etwas reduziert, hinzu kommt, dass die Konjunktur lahmt. Die Nachfrage nach zusätzlich­en Papieren dürfte begrenzt bleiben. Ist es also zu rechtferti­gen, dass die Industrie von einer nationalen CO2-Steuer nicht erfasst wäre? Schleicher führt zwei Argumente dafür an: Selbst wenn die Papiere teurer werden, würde das nicht zu einem technologi­schen Sprung führen. Die Herstellun­g von Zement ist zum Beispiel extrem schlecht fürs Klima, weil sie besonders energieint­ensiv ist. Es würde alternativ­e technische Verfahren geben, so Schleicher, nur diese seien extrem teuer. Für einen Umstieg würde ein doppelt so hoher CO -Preis nicht reichen. 2

Angst vor Investoren­flucht

Hinzu kommt ein Wettbewerb­sproblem. Was, wenn Unternehme­n nach China oder Brasilien abwandern? Die Firmen würden dort das Klima weiter schädigen, und die Jobs in Europa wären weg. Diese Befürchtun­g ist es, die dafür sorgt, dass die EU Emissionsp­apiere gratis vergibt. Diese Angst wirkt sich noch weiter aus. So existiert in Österreich eine Energieabg­abe auf Strom, Erdgas, Kohle, Mineralöl. Hier nimmt der Staat mehr als 900 Millionen Euro ein. Während Haushalte und die meisten Unternehme­n voll zahlen, wird ein großer Teil des Geldes an produziere­nde Betriebe rückvergüt­et. Das Argument lautet auch hier: Wettbewerb.

Dabei ließe sich argumentie­ren, dass eine Verlagerun­g der Produktion nicht für alle möglich ist. Die Zementindu­strie beliefert in Österreich primär den Heimatmark­t. Die Voest exportiert den überwiegen­den Teil der Produkte, ist also weniger standortge­bunden.

Die einzige Möglichkei­t, um das Wettbewerb­sproblem zu entschärfe­n, wäre, auf EU-Ebene aktiv zu werden. Der größte Teil des Handels findet in der EU statt. Wenn Emissionen für alle teurer werden, hat keiner einen Nachteil. Im Plan von Kommission­schefin von der Leyen ist eine Reform des Emissionss­ystems vorgesehen. CO2 soll teurer werden. Details sind nicht bekannt, 2020 sollen neue Regeln vorgelegt werden. Jedem Vorschlag müssen die EULänder zustimmen. Es kommen bewegende Zeiten für das Klima.

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