Machtspiele in den USA
Die Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump machten deutlich, dass sich Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, vom US-Präsidenten nicht weiter beeindrucken lässt.
Während Nancy Pelosi an einem Amtsenthebungsverfahren festhält, sieht sich Donald Trump als Opfer einer „Hexenjagd“.
In der Wirtschaft wie in der Politik kennt Donald Trump nur eine Richtung: nach vorn. Dabei macht es recht wenig Unterschied, ob er angreift oder sich verteidigen muss – so weit, so bekannt. Und besonders überraschend war es auch nicht, dass Trump tobte, als jener Mittwoch anbrach, an dem im US-Repräsentantenhaus das Votum über die Bühne gehen würde, mit dem offiziell ein Amtsenthebungsverfahren gegen den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika eingeleitet werden sollte.
Sehr wohl überraschend war allerdings, wie ausführlich und explizit sein wütender Protest gegen diesen Tagesordnungspunkt des US-Kongresses formuliert war. Er sprengte den Rahmen der üblichen Trump’schen Twitter-Attacken mit jeweils wenigen Hundert Zeichen: Die präsidiale Wutrede füllte vielmehr sechs Briefseiten. Und sie war gespickt mit Vorwürfen gegen seine politischen Gegner.
Er sei das Opfer einer „Hexenjagd“– mittlerweile ist die Metapher altbekannt, er hat sie schon hunderte Male angebracht. Doch diesmal sei es noch schlimmer: „Den Beschuldigten bei den Hexenprozessen von Salem wurde ein faireres Verfahren gewährt“, schrieb Trump.
„Lernen Sie Geschichte“
Diese Behauptung ließ die Bürgermeisterin von Salem im US-Bundesstaat Massachusetts nicht unwidersprochen: „Lernen Sie doch ein wenig Geschichte“, rügte die 53-jährige Demokratin Kim Driscoll den um 20 Jahre älteren republikanischen Präsidenten. Bei den Hexenprozessen im Jahr 1692 habe es keine Beweiserhebung gegeben, 19 unschuldige, wehrlose Menschen seien hingerichtet worden. Die aktuellen Ermittlungen zur Ukraine-Affäre würden sich hingegen auf zahlreiche Beweise stützen und richteten sich zudem nicht gegen Wehrlose, sondern gegen die Mächtigsten und Privilegiertesten in den USA.
Im Zentrum der präsidialen Wut stand einmal mehr die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. „Es gibt etwas an Nancy Pelosi, das Donald Trump unter die Haut geht“, schrieb kürzlich das US-Magazin Politico. In der 79-jährigen Doyenne der Demokraten sieht der Präsident eines seiner primären Washingtoner Feindbilder. Sie treibe den Präsidenten regelmäßig – und wohl mit Bedacht – zur Weißglut, weiß das Magazin zu berichten und zitiert Pelosis Parteifreund Dan Kildee, einen Abgeordneten aus Michigan: „Sie ist smarter und härter als er. Und ich denke, das giftet ihn, das hält er nicht aus.“
Knapp drei Monate sind vergangen, seit Pelosi – ursprünglich keine Befürworterin eines solchen Schritts – am 24. September formell eine Untersuchung eingeleitet hat, um zu klären, ob gegen Trump ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) eingeleitet werden soll.
Zerrüttetes Verhältnis
Seit Pelosis Amtsantritt als Sprecherin des Repräsentantenhauses Anfang Jänner, vor allem aber seit der Einleitung der Impeachment-Untersuchungen hat sich das Verhältnis zwischen der Nummer eins und der Nummer drei in der politischen Hierarchie der USA von sehr schlecht zu gänzlich zerrüttet gewandelt. Während Pelosi immerhin noch funktional-diplomatische Höflichkeit walten lässt und der Öffentlichkeit versichert, „weiterhin für den Präsidenten zu beten“und „das Amt, das er bekleidet, zu respektieren“, gefällt sich Trump darin, seiner Kontrahentin einen gehässigen Spitznamen zu verpassen: „Nervous Nancy“hasse die Vereinigten Staaten von Amerika. Die derart Geschmähte kommentierte das in einer CNN-Talkshow unter Applaus: Trump sei ein „Meister der Projektion“. Denn nicht sie sei nervös, nein, er sei es selbst.
Pelosi weiß genau, wie sie Trumps Nerv treffen kann: So berichtete das Washingtoner Politmagazin The Hill von einem Meeting, das Pelosi und Gefolge im Weißen Haus mit Mitarbeitern des US-Präsidenten gehabt hatten. Es sei um Infrastrukturthemen gegangen, ganz harmlos. Wie zufällig – wahrscheinlich aber sehr gezielt – sprach die Demokratin vor diesem Termin mit ein paar TV-Journalisten und äußerte ihre Vermutung, dass Trump versuche, allerlei Machenschaften zu vertuschen.
„Fadenscheinige Untersuchungen“
Kaum hatte das Meeting begonnen, sei Trump in den Raum gepoltert und habe gedonnert, er werde mit den Demokraten erst dann weiterarbeiten, wenn diese ihre „fadenscheinigen Untersuchungen“einstellen würden.
So fadenscheinig dürften die Untersuchungen in der Ukraine-Causa nicht sein: Die übereinstimmenden Aussagen von 17 in den vergangenen drei Monaten befragten Zeugen – zuerst im Geheimdienst-, dann im Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses – lassen wenig Zweifel offen, dass die Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der Behinderung von Ermittlungen fundiert sein dürften und keineswegs bloß eine „Hexenjagd“darstellen – egal wie das politische Votum ausfällt.