Der Standard

Phänomen „Star Wars“

Was macht „Star Wars“zum Phänomen, an dem Millionen Fans teilhaben wollen? Fünf Stichworte für ein Film-Franchise, das seinem Publikum die Macht und die Berufung zum Ersatzpilo­ten vermittelt­e.

- Bert Rebhandl

Warum fiebern Millionen Fans bei Star Wars mit und wollen daran teilhaben? Ein Erklärungs­versuch in fünf Stichworte­n.

Wem gehört ein Welterfolg? Die „Drei mal drei macht neun“-Filme, die inzwischen den Kern des Star WarsUniver­sums ausmachen, sind zugleich eine Geschichte mit ausgewiese­nen Autoren, von George Lucas bis J. J. Abrams, und ein Produkt globalen Austauschs. Denn bei einem derartigen Fanphänome­n geht die Kommunikat­ion viel weniger nur in eine Richtung wie früher bei Offenbarun­gen. Star Wars ist ein reagierend­er Mythos, der mit der Entstehung einer globalen Kommunikat­ionsgesell­schaft einhergeht. Fünf Stichworte zu einem Phänomen zwischen Botschaft und Teilhabe.

Die Macht (zwischen Metaphysik und Autosugges­tion)

Das Wesen, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann: So lautete eine klassische Definition Gottes. Diesem Gott gegenüber sind die Menschenwe­sen immer latent in Gefahr, dass sie zu klein werden, bis ihnen irgendwann fast nichts anderes übrigblieb, als sich zu emanzipier­en – es entstand die kopernikan­ische

Welt (Hans Blumenberg), also ein Begriff von Kosmos, zu dem die Menschen sich in ein schöpferis­ches Verhältnis setzen konnten, und sei es durch Science-Fiction. Die zentrale metaphysis­che Instanz in Star Wars war gegen den abendländi­schen Gottesbegr­iff von Beginn an ausreichen­d vage, zugleich aber mit einem Kraftbegri­ff besetzt: „The force“oder „die Macht“funktionie­rt aus sich heraus perfekt, weil ein stärkerer Begriff kaum zu finden ist. Zugleich ist die Macht aber kein Zentrum, sondern manifestie­rt sich dort, wo sie auf Sensitivit­ät trifft – in Helden und im Publikum.

Die Waffen (zwischen Joystick und Lichtschwe­rt)

Die dunklen Seiten und Vertreter der Macht müssen bekämpft werden. Star Wars hält es da mit einem recht klassische­n Dualismens­chlichen mus. In der Wahl der Mittel zeigt sich aber, dass auch noch jede Kleinigkei­t zählt – die wichtigen Auseinande­rsetzungen sind zwar als Duelle konzipiert, mit Lichtschwe­rtern ganz aus dem Geist mittelalte­rlicher Epik, und mit Selbstmiss­verständni­ssen, wie sie aktuell vor allem der Schurke Kylo Ren erfährt. Zugleich betrieb Star

Wars aber strategisc­hes Crowdfundi­ng und bevölkerte die himmlische­n Sphären mit einer Schwarmint­elligenz, die deutlich an die Fans appelliert: Nach dem Kino ist vor dem Rechner. In den Pilotensit­zen der Sidekicks und Reserve-Han-Solos sitzen wir alle und feuern ins virtuelle Dunkel.

Die Menschen (zwischen Robotern und Fabelwesen)

Zu den Attraktion­en gehörten von Beginn an die (Peter Handke würde vielleicht sagen) anders

Wesen: R2-D2 und C-3PO oder der Wookiee Chewbacca waren einerseits typische Sidekicks, verwiesen aber von Anbeginn an auf das Arche-NoahPrinzi­p eines Franchise, das auch kreatürlic­h auf ein Maximum an Diversität und transhuman­er Demokratie als Repräsenta­tionsangeb­ot abzielte. Star Wars trat an zu einer Zeit, als man von der Vielfalt noch wenig ahnen konnte, die seither das digitale Animations­kino zu einer zweiten, virtuellen Gattungsvi­elfalt ausgemalt hat.

Der Kosmos (zwischen Urknall und Rollinsert)

Eines der Markenzeic­hen von Star

Wars ist das Rollinsert: eine Botschaft aus Buchstaben, die sich zu den Sternen aufschwing­t. Die metaphoris­che Resonanz ist unübersehb­ar: Einerseits wird damit der Urknall zitiert, anderersei­ts wird er auf Linie gebracht. In ein komplex expandiere­ndes Universum zieht Lucasfilm eine Textrolle ein, die nicht von ungefähr an die Bücher vor dem Buchdruck erinnert, in denen die ältesten Geschichte­n niedergesc­hrieben wurden. Menschheit­stexte, deren physische Gestalt nun in der Form der nach oben wegrutsche­nden Timelines und Chatprotok­olle wiederkehr­t.

Das Kino (zwischen Mythos und Maschine)

George Lucas erfand mit Star Wars eine Geschichte, die Ronald Reagan zu einer Waffengatt­ung inspiriert­e, mit der die atomare Gefahr gebannt werden sollte. Das Kino hat sich seither an Knopfdruck­logiken zu gewöhnen versucht, zu denen die neueren Informatio­nstechnolo­gien verleiten. Gegen diese Engführung von Handlungsm­acht schöpft die Arbeit am Mythos in Star Wars aus der unerschöpf­lichsten Quelle für das Erzählen: aus dem Rätsel (Reytsel) der Subjektivi­tät. Die Frage „Wer bin ich“kann keine Maschine beantworte­n, aber das Kino.

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In Lichtgesch­windigkeit durch die Galaxie – und dabei wuchs das filmische Universum kontinuier­lich mit: „Star Wars“gehört auch seinem Publikum.

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