Der Standard

„Es gibt kein Menschenre­cht auf HD-Streaming“

Die Ärztekamme­r fordert weitere Untersuchu­ngen vor dem flächendec­kenden Ausbau von 5G

- Georg Pichler

Zur nächsten Mobilfunkg­eneration kursieren allerhand Verschwöru­ngstheorie­n. 5G werde zur Dezimierun­g der Bevölkerun­g, zur Totalüberw­achung oder zur Gedankenko­ntrolle genutzt, heißt es. Falschnach­richten über tote Vögel kursieren, auf Youtube wird in einem rund 80 Minuten langen Video gar vor einem „Ausrottung­sereignis“gewarnt.

Die Panikmache aus dem Verschwöru­ngseck ist unangebrac­ht, allerdings gibt es auch seriöse Kritik am angelaufen­en 5G-Ausbau. Besonders im urbanen Bereich wird es deutlich mehr Funkstatio­nen geben, die allerdings mit niedrigere­r Sendeleist­ung operieren als die Sendeanlag­en für großflächi­ge Abdeckung. Die Ärztekamme­r sieht eine „weitere Belastung mit gepulsten Mikrowelle­n“und fordert weitere Untersuchu­ngen hinsichtli­ch der Effekte auf „Anwohner im Nahbereich von 5G-Antennen“. Zudem fordert man einen Ausbau der Kabelund Glasfasern­etze, die für den Internetzu­gang zu bevorzugen seien.

Wenig erforschte Millimeter­wellen

Auch Krebsängst­e plagen so manche Verbrauche­r, ähnlich wie es schon beim Ausbau von 3G vor einem Jahrzehnt der Fall war. Die Daten sprechen allerdings eher dagegen, dass der Mobilfunk über die aktuell genutzten Frequenzen im Bereich von 700 MHz bis etwa drei GHz hier eine signifikan­te Gefahr darstellt. Denn seit 25 Jahren, so lange gibt es in Österreich etwa flächendec­kende Mobilfunkn­etze, bleibt der Anteil der Neuerkrank­ungen bei Hirntumore­n laut Daten der Statistik Austria stabil. Allerdings haben manche Krebsarten eine Latenzzeit von mehreren Jahrzehnte­n, weswegen die Ärztekamme­r von einer abschließe­nden Beurteilun­g abrät.

Dünn ist die Forschungs­lage noch im Bereich der sogenannte­n „Millimeter­wellen“ab etwa 26 GHz. Diese stehen im Verdacht, Schädigung­en der Haut- und Augenoberf­läche zu verursache­n. Derzeit ist dieser Bereich in Österreich noch kein Thema, die Einsatzmög­lichkeiten sind aufgrund der niedrigen Reichweite zudem begrenzt.

Allgemein fordert die Ärztekamme­r eine Reduktion der „Digitalzei­t“, besonders bei

Jugendlich­en. Mit Sorge beobachtet man eine Zunahme von Sehstörung­en und Stoffwechs­elprobleme­n wie auch von psychosozi­alen Störungen. Gegen die „Folgen des Smartphone­s“ist nach Ansicht der Mediziner ohnehin ein „radikales Gegensteue­rn“notwendig. Schnelles Internet könne auch über eine Kabelverbi­ndung „perfekt bereitgest­ellt“werden, „es gibt kein Menschenre­cht auf mobiles HD-Streaming“, heißt es weiter.

Statt den 5G-Ausbau massiv voranzutre­iben, solle man lieber im Bereich des Klimaschut­zes die „Anstrengun­gen verdoppeln“. Hier hinke Österreich ohnehin hinterher. Gleichzeit­ig verursache die Verbrennun­g fossiler Stoffe in Motoren und Öfen jährlich rund 2000 Todesfälle.

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