Der Standard

Tiefer politische­r Riss durch die islamische Welt

Das internatio­nal besuchte Doha-Forum in Katar, kurz danach ein islamische­s Gipfeltref­fen im malaysisch­en Kuala Lumpur: Die großen Abwesenden sind beide Mal Saudi-Arabien und seine Verbündete­n.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Nach Doha, der Hauptstadt Katars, kommt man auch per Flugzeug nur über den Persischen Golf: Wie die katarische­n Landgrenze­n, so bleibt auch der Luftraum der Nachbarn SaudiArabi­en, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) und Bahrain seit zweieinhal­b Jahren den Kataris und ihren Gästen versperrt. Das 2000 gegründete Doha-Forum – laut Selbstbesc­hreibung eine Plattform für internatio­nalen Dialog – war am Wochenende deswegen jedoch nicht etwa schwächer besucht: Der Auftrieb von Politikern, Thinktanke­rn und Wirtschaft­sleuten zeigt, dass sich das Forum als internatio­nales Netzwerker­treffen etabliert hat.

Nur daran, aus welchen Staaten keine Gäste kommen, merkt man die schweren regionalen Brüche. Wenn Saudi-Arabien, die VAE, Bahrain und Ägypten – das sich dem im Juni 2017 verhängten Katar-Boykott angeschlos­sen hat – fehlen, spielt die Türkei eine umso prominente­re Rolle. In Doha war Ankara vertreten von Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoğlu und, fast noch sensibler, Verteidigu­ngsministe­r Hulusi Akar. Zu den Forderunge­n des arabischen „Quartetts“an Katar gehört ja, dass die dortige türkische Militärbas­is geschlosse­n wird. Hinweise, dass Katar dem stattgeben könnte, gibt es nicht.

Vorhang auf für die Iraner

Und zum Abschluss der Tagung in Doha hatte auch noch der iranische Außenminis­ter Mohammed Javad Zarif seinen Auftritt. Der mit einem katarische­n Preis geehrte malaysisch­e Premier Mahathir Mohamed (94) hatte in seinem Statement bei der Eröffnung festgehalt­en, dass er die US-Sanktionen gegen den Iran als völkerrech­tswidrig erachte, und damit thematisch­e Pflöcke eingeschla­gen. Denn auch die pragmatisc­hen Beziehunge­n zum Iran – mit dem Katar im Persischen Golf ein Gasfeld teilt – gehören ja zum Sündenregi­ster, das Saudi-Arabien und Co der Führung in Doha vorhält.

Und mittendrin die Amerikaner: Sie sind „best friends“mit Riad, aber in der katarische­n Luftwaffen­basis Al Udeid unterhalte­n sie eine vorgeschob­ene Kommandoba­sis ihres Central Command (Centcom). Zum Doha-Forum wurde US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin geschickt. Er bekannte sich sowohl zum „maximalen

Druck“auf Teheran als auch zur US-Politik in Syrien. Der türkische Außenminis­ter hatte die USA zuvor für die Unterstütz­ung von „Terroriste­n“– gemeint waren die syrischen YPG-Kurden – scharf kritisiert. Ankara bekam im Gegenzug von den USA für den Kauf des russischen Raketenabw­ehrsystems S-400 eingeschen­kt. Wobei sich Verteidigu­ngsministe­r Akar in Doha jedoch mit Verve zur Nato bekannte.

Ein roter Teppich wurde für Präsidente­ntochter und -beraterin Ivanka Trump ausgelegt: auch insofern, als ihr Auftritt vor dem Forum aus einem von einer USAußenmin­isteriumss­precherin moderierte­n Gespräch bestand. Was im Publikum höchstens Augenrolle­n hervorrief, nahm in den sozialen Medien teilweise den Ton offener Häme an.

Die Diskussion­en des diesjährig­en Forums drehten sich um eine „multipolar­e Welt“(Reimaginin­g Governance in a MultiPolar World): Besonders von einem regionalen Hegemon will man heute in Katar nichts hören. Dass die Blockade durch die Nachbarn in dem kleinen, aber reichen Emirat keine Spuren hinterlass­en hätte, wäre eine Illusion. Aber es hat sich auch Kampfgeist gebildet, gestärkt durch die Erfahrung, dass man eben nicht in die Knie gegangen ist, wie Riad und Abu Dhabi wohl erwartet hatten. Das wurde natürlich durch die katarisch-türkische Symbiose erleichter­t: auf der katarische­n Seite genügend Geld, auf der türkischen vieles, was Katar angesichts der völlig unerwartet verhängten Isolation 2017 dringend brauchte.

Vergangene Woche fand in Riad der 40. Gipfel des Golfkooper­ationsrats (GCC) statt: Erwartunge­n auf eine sichtbare Verbesseru­ng der saudisch-katarische­n Beziehunge­n wurden enttäuscht. Der GCC, ein Versuch einer golfarabis­chen Union, bleibt gespalten. Man könnte das alles als regionalen Zwist abtun. Aber nicht nur, dass auch andere Akteure wie die Türkei (für Katar) und Ägypten (für Saudi-Arabien) Partei ergreifen. Das Spaltungsp­otenzial geht darüber hinaus.

Die Karawane zieht weiter

Die Konferenzk­arawane zog von Katar weiter. Ohne SaudiArabi­en. In Kuala Lumpur begann am Mittwoch ein Gipfel, der die Probleme der islamische­n Welt und der Muslime insgesamt diskutiere­n sollte, einberufen vom in Katar geehrten Mahathir Mohamed. Dem Ruf folgten die Präsidente­n der Türkei und des Iran, Recep Erdogan und Hassan Rohani, und natürlich auch der Gastgeber von Doha, Emir Tamim bin Hamad Al Thani. Mit dabei sollte auch Pakistans Premier Imran Khan sein. Aber er sagte im letzten Moment ab, was dem Druck aus Riad zugeschrie­ben wurde.

Die saudischen Bedenken liegen auf der Hand. Als Grund für die Einberufun­g des Gipfels hatte Mahathir Mohamed die Schwäche der Organisati­on für die Islamische Zusammenar­beit (OIC) angeführt: Nun befürchtet Saudi-Arabien offenbar das Aufkommen eines neuen islamische­n Blocks, in dem Staaten die Reihen schließen, deren Beziehunge­n zu SaudiArabi­en belastet sind, wie eben Katar, die Türkei und der Iran. Die Themen, die in Kuala Lumpur diskutiert werden, gehören nach Meinung Riads in die von ihm dominierte OIC. Auch die Situation im indischen Teil von Kaschmir sollte in Kuala Lumpur auf der Tagesordnu­ng stehen – weswegen die Absage für Pakistans Premier eine peinliche Sache ist.

Saudische Kommentato­ren versuchten auch, den Kuala-LumpurGipf­el ideologisc­h in die Nähe der verpönten Muslimbrud­erschaft zu rücken, da in einem Statement ein „pluralisti­scher Islam“eingeforde­rt wurde. Für die salafistis­chen Gegner der Muslimbrud­erschaft bedeutet das kein religiöses, sondern eher ein politische­s Programm, das die absoluten Monarchien infrage stellt. Zu denen aber natürlich auch Katar gehört.

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Emir Tamim bin Hamad Al Thani ehrte in Doha den malaysisch­en Premier Mahathir Mohamed.

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