Gesundheitskasse ist von einheitlichen Leistungen noch weit entfernt
Große Unterschiede zwischen den Ländern bei Verträgen mit Ärzten und Psychotherapeuten bleiben vorerst
Die am Dienstagabend nach der letzten Sitzung des Überleitungsausschusses der neuen Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) von allen Seiten gefeierte Angleichung der Leistungen für die 7,2 Millionen Versicherten auf das bis dato jeweils höchste Bundesländerniveau betrifft bei näherer Betrachtung nur einen Teil der Kassenleistungen. Im Paket enthalten sind beispielsweise die Anhebung der Höchstdauer des Krankengeldes auf 78 Wochen, Kuren für Pensionisten auch in Wien, Kärnten und Tirol, ein höherer Maximalbetrag
für Heilbehelfe und Hilfsmittel wie etwa Rollstühle und die bundesweite Abschaffung des Selbstbehaltes bei Krankentransporten. Das alles betrifft aber nur Zahlungen, die im Ermessen der Länderkassen sind beziehungsweise waren. Gesamtvolumen: 14 Millionen jährlich.
„Luxusklasse – Holzklasse“
Nicht in der Harmonisierung enthalten sind vertraglich mit Ärzten oder Psychotherapeuten geregelte Leistungen. Hier hatten die jeweiligen Länderkassen bisher ganz unterschiedliche Verträge abgeschlossen. Ein Beispiel aus dem unterschiedlichen Leistungskatalog:
Eine gynäkologische Ultraschalluntersuchung wird nicht in allen Bundesländern von der Kasse übernommen.
Besonders groß sind die Unterschiede bei den Psychotherapeuten. Hier laufen beispielsweise in Salzburg inzwischen 78 Prozent der Therapien auf Kassenkosten, in anderen Bundesländern gerade einmal 30 Prozent. Erwünschter Effekt: Salzburg hat die niedrigste Invaliditätspensionsrate aufgrund psychischer Erkrankungen. Die Angleichung der verschiedenen Vertragsleistungen auf das jeweils höchste Länderniveau würde nach ersten Schätzungen rund 500 Millionen Euro kosten.
Aber auch zwischen den Kassen gibt es große Unterschiede. So können die Beamten zweimal im Jahr auf Kassenkosten eine Mundhygiene in Anspruche nehmen, in Salzburg beispielsweise sind sie in den Landeskrankenanstalten automatisch Sonderklassepatienten. Auch die Selbstständigen können auf einen besseren Leistungskatalog zurückgreifen.
„Die Beamten fahren Luxusklasse, die Selbstständigen Businessklasse, die Arbeiter und Angestellten Holzklasse“, beschreibt FSG-Gewerkschafter Andreas Huss die Situation. Huss ist stellvertretender Vorsitzender des Überleitungsausschusses der ÖGK. Ein Antrag der FSG-Fraktion zur Angleichung der Leistungen der ÖGK auf Beamten- oder Selbstständigenniveau wurde im Überleitungsausschuss von den Unternehmervertretern und dem ÖVP-Arbeiter- und -Angestelltenbund mehrheitlich abgelehnt.
Hohes Defizit
Das hat auch mit der finanziellen Lage der ÖGK zu tun. In der Vorausschau für 2020 wird ein Defizit von 175 Millionen Euro erwartet. Das entspricht 1,1 Prozent der Gesamtausgaben. Auf drei Jahre gerechnet, dürfte das Defizit kumuliert dann auf 500 Millionen anwachsen, schätzt Huss.