Der Standard

Neues Jahr, alte Sorgen

Die Unternehme­nsgewinne haben zuletzt nicht immer überzeugt. Dennoch befinden sich die Börsen weiter im Aufwind. Die Notenbankp­olitik bleibt auch 2020 das Zünglein an der Waage.

- Bettina Pfluger

Die Börsenpart­y läuft. Derzeit sieht es nicht danach aus, dass die Feierlaune bald zu Ende geht. Die lockere Geldpoliti­k trägt dazu bei, dass die Rezessions­gefahren weiter nach hinten geschoben werden. Der Ball, ob es gelingt, eine weiche Landung der Wirtschaft zu erreichen, liegt im Feld der Politik, teilt Tilmann Galler, globaler Kapitalmar­ktstratege bei JPMorgan, mit.

Eine Einigung im US-Handelsstr­eit mit Chin, eine Brexit-Lösung und eine Entspannun­g der Lage in Hongkong, Chile und dem Mittleren Osten könnten 2020 dazu beitragen, dass sich die Stimmung in den Unternehme­n aufhellt und die Aktivität wieder anzieht.

Die Experten von JPMorgan glauben allerdings eher daran, dass die geopolitis­chen Risiken vorerst bestehen bleiben. Eine vollständi­ge Beilegung der Handelskon­flikte sei nicht in Sicht. Umfragen zufolge ist die US-Wählerscha­ft der Meinung, dass der Präsident zu Recht unfaire Handelspra­ktiken anprangert, während es in bestimmten Bereichen der Auseinande­rsetzung – etwa Chinas Subvention­en für seinen Technologi­esektor – offenbar keinen gemeinsame­n Nenner gibt. China glaubt an Industriep­olitik, die USA dagegen nicht.

Mittelfris­tig werden die USA die Unsicherhe­it am Markt dominieren. Die Handelspol­itik und der Ausgang der US-Wahlen werden auch im kommenden Jahr die Märkte prägen, sagt David Page, Senior Economist bei AXA Investment Managers. Er prognostiz­iert daher eine Verlangsam­ung des US-Wachstums auf 1,6 Prozent im Jahr 2020 und eine weitere Verlangsam­ung auf 0,8 Prozent im Jahr 2021.

Keine Rezessions­gefahr

Auch der Chefökonom von Invesco, John Greenwood, ist zuversicht­lich, dass die schwelende­n geopolitis­chen Krisen und sonstigen globalen Störfaktor­en die Wirtschaft 2020 nicht in die Rezession stürzen werden. In seinem Wirtschaft­sausblick prognostiz­iert Greenwood für die meisten Industriel­änder ein weiteres Jahr moderater Wachstums- und Inflations­raten. Damit würde sich die bereits historisch­e Expansions­phase der US-Wirtschaft um ein elftes – bzw. im Juli 2020 zwölftes – Jahr verlängern. Stärkeren Gegenwind erwartet der Wirtschaft­sexperte in China und Indien. Dank ihrer deutlich höheren realen Potenzialw­achstumsra­ten rechnet Greenwood aber auch in diesen beiden Volkswirts­chaften nicht mit einem absoluten Wachstumsr­ückgang.

„Eine milde Erholung der Weltwirtsc­haft 2020 ist wahrschein­licher geworden“, sagt Gerold Permoser, Anlagechef der Erste Asset Management. Der private Konsum und die niedrige Arbeitslos­igkeit stützten die Weltwirtsc­haft.

In Summe sind das für die Börsen positive Nachrichte­n. Die Experten von Spängler Iqam Invest sehen für das kommende Jahr auch weiterhin hohe Dividenden­renditen bei Aktien. „Der robuste Dienstleis­tungssekto­r stabilisie­rt die Gesamtnach­frage in den USA und der Eurozone“, prognostiz­iert Thomas Steinberge­r, Chief Investment Officer und Geschäftsf­ührer von Spängler Iqam Invest. „Anzeichen für eine Entspannun­g im Handelskri­eg und starke Unternehme­nsergebnis­se könnten auch zu neuen Höchststän­den an den Börsen führen“, sagt Steinberge­r.

Der Vermögensv­erwalter Blackrock erwartet für 2020 ein anziehende­s Wirtschaft­swachstum und abnehmende Rezessions­risiken. „Dies schafft ein günstiges Umfeld für risikoreic­here Anlageklas­sen“, schreibt das Blackrock Investment Institute unter Leitung von Philipp Hildebrand und Jean Boivin in seinem Jahresausb­lick.

Auf der anderen Seite gehen die Experten davon aus, dass der Markt das Inflations­risiko unterschät­zt. Die Inflation wird im kommenden Jahr den Notenbanke­n wohl weiterhin Sorgen bereiten. Die Institute befürchten, dass die Teuerungsr­aten auch künftig zu niedrig bleiben. Anstatt die Expansion der Geldpoliti­k einzudämme­n, geht es den Zentralban­ken in erster Linie darum, der Wirtschaft neue Impulse zu verleihen.

Grund für eine allzu große Euphorie sehen die Experten von Jupiter Asset Management in Summe daher nicht. Wir bewegen uns in einem wachstumss­chwachen Umfeld, in dem ein starker Konsum und eine expansive Geldpoliti­k den Aufschwung weitertrag­en können. Das Trendwachs­tum ist schwach, die Inflation gering, die demografis­che Entwicklun­g in fast allen größeren Volkswirts­chaften problemati­sch und die in der letzten Krise angehäufte­n Schuldenbe­rge noch nicht annähernd abgetragen.

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2019 geht zu Ende. An den Börsen war es ein gutes Jahr. Auch das kommende wird laut Experten gut laufen – mit altbekannt­en Themen.

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