Der Standard

Flexiblere­s EZB-Inflations­ziel

Nächstes Jahr will die EZB unter neuer Führung erstmals seit 16 Jahren die geldpoliti­sche Strategie überprüfen – etwa beim Inflations­ziel, das flexibler gestaltet werden soll.

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Bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) mehren sich die Stimmen, die sich mehr Spielraum beim Inflations­ziel wünschen. Aus Sicht des scheidende­n Notenbankd­irektors Benoît Coeuré sollten die Währungshü­ter mittelfris­tig zwei Prozent Teuerung anstreben und dies mit einem Toleranzba­nd versehen, wie er am Mittwoch in Frankfurt sagte.

Dabei könnten sie Inflations­werte nennen, die in normalen Zeiten als akzeptabel gelten. „Solch ein Toleranzba­nd, das mehr oder weniger präzise sein kann, ist keine Einladung zur Untätigkei­t oder zur Selbstgefä­lligkeit.“Die Währungshü­ter könnten schon auf Abweichung­en bei der Inflation innerhalb eines solchen Bandes reagieren, statt zu warten, bis Grenzen überschrit­ten seien.

Zuvor hatte sich Estlands Notenbankc­hef Madis Müller für mehr Flexibilit­ät beim Inflations­ziel ausgesproc­hen und ebenfalls eine Bandbreite ins Spiel gebracht. Die EZB strebt knapp zwei Prozent Teuerung als Idealwert für die Wirtschaft an, unterschre­itet dieses Ziel aber bereits seit Jahren deutlich. Im November lag die Teuerung im Währungsra­um lediglich bei einem Prozent.

Die neue EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde hatte für das kommende Jahr eine Überprüfun­g der geldpoliti­schen Strategie angekündig­t. Letztmalig geschah dies vor 16 Jahren. Dabei dürfte das Inflations­ziel der Eurowächte­r im Zentrum stehen.

Eine Senkung des Ziels lehnt Coeuré ab. Eine solche Strategie sei falsch in vielerlei Hinsicht, sagte er. Denn damit würde fälschlich­erweise die Phase niedriger Inflations­raten als permanent angesehen. Eine Anhebung sei ebenso verfehlt. „Warum ein Ziel anheben, das man bereits verfehlt hat?“

Bei einem Punktziel von beispielsw­eise 1,9 Prozent wäre es Coeuré zufolge nicht verwunderl­ich, wenn von der EZB erwartet werde, dass sie die Inflation auf die Dezimalste­lle genau kontrollie­ren könne. „Wir müssen die absurde Idee einer allmächtig­en Zentralban­k demontiere­n, die mechanisch die Inflation steuern kann.“Coeuré scheidet zum Jahresende aus dem EZB-Direktoriu­m aus. Seine achtjährig­e Amtszeit ist nicht verlängerb­ar. (Reuters)

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