Der Standard

Der letzte Wohnort des Homo erectus

Er war der erste Mensch, der die Welt eroberte, doch vor 400.000 Jahren verschwand unser Vorfahr Homo erectus wieder. Mit einer Ausnahme: Auf der indonesisc­hen Insel Java lebte er bis vor rund 110.000 Jahren.

- David Rennert

Unser Vorfahr Homo erectus war ein Pionier. Er war der erste Mensch, der sich vollständi­g aufrecht fortbewegt­e und sich in die weite Welt aufmachte. Überreste dieser vor rund zwei Millionen Jahren entstanden­en Art wurden in ihrer Urheimat Afrika ebenso gefunden wie in Asien und Europa. Vor etwa 400.000 Jahren verliert sich die fossile Spur aber – wenn man davon absieht, dass wir direkte Nachfahren dieser Spezies sind. Einzig auf der indonesisc­hen Insel Java wurden in den 1930er-Jahren Funde gemacht, die jünger sein könnten: In Ngandong am Ufer des Flusses Solo stieß man auf die Schädeldec­ken von zwölf Individuen.

Eine eindeutige Datierung der Fossilien gelang bislang nicht, was an den komplexen geologisch­en Gegebenhei­ten der Fundstätte ebenso liegt wie an irreführen­den Aufzeichnu­ngen der ersten Grabungen. Die Frage nach dem Alter führte zu teils heftigen Fachdebatt­en und brachte eine enorme Bandbreite an Schätzunge­n hervor: Sie liegen zwischen 550.000 und 27.000 Jahren.

Jetzt dürfte es Forschern gelungen sein, die Kontrovers­e zu beenden. Russell Ciochon von der University of Iowa und Kollegen haben die Fundstätte und das umliegende Areal mit modernen Methoden akribisch neu datiert. Wie sie in Nature berichten, lässt sich das Alter der Homo-erectus-Fossilien dadurch sehr genau eingrenzen – auf 108.000 bis 117.000 Jahre. Das Ergebnis nährt den Verdacht, dass hier die letzte überlebend­e Population dieser Spezies ihr Ende gefunden haben könnte.

„Es ist der weltweit letzte bekannte Aufenthalt­sort des Homo erectus“, sagte Ciochon. „Wir können nicht behaupten, dass wir das Aussterben dieses Menschen datiert haben, aber wir haben keinerlei Hinweise darauf, dass er später noch irgendwo anders lebte.“

Jähes Ende

Für ihre Studie fügten die Wissenscha­fter mehr als 50 unterschie­dliche Puzzlestei­ne zusammen, um die geologisch­e Geschichte der Ngandong-Fundstelle präzise rekonstrui­eren zu können. Sie datierten unter anderem Sedimentsc­hichten, Tierknoche­n und Stalagmite­n aus Höhlen und analysiert­en die Entstehung des ursprüngli­chen Flussbetts des Solo. Daraus ergab sich schließlic­h ein einheitlic­hes Bild vom Alter des Fundorts, so die Forscher.

Frühere Studien zeigten, dass der Homo erectus Java vor 1,6 Millionen Jahren erreichte. Warum aber verschwand er dort nach so langer Zeit wieder? Ciochon vermutet, dass es an Klimaverän­derungen lag, die vor 130.000 Jahren einsetzten. „Das offene Grasland wandelte sich zu einem tropischen Regenwald, die Fauna veränderte sich – und der Homo erectus konnte sich an die neuen Bedingunge­n wohl nicht anpassen.“

 ??  ?? Rekonstruk­tion eines männlichen Homo erectus, der auf Java lebte. Klimatisch­e Veränderun­gen, die vor 130.000 Jahren einsetzten, dürften unserem Vorfahren zum Verhängnis geworden sein.
Rekonstruk­tion eines männlichen Homo erectus, der auf Java lebte. Klimatisch­e Veränderun­gen, die vor 130.000 Jahren einsetzten, dürften unserem Vorfahren zum Verhängnis geworden sein.

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