Der Standard

Nicht vertrauens­würdig

Bei der kritischen mobilen Infrastruk­tur auf chinesisch­e Anbieter zu setzen ist unverantwo­rtlich. Österreich sollte Huawei und ZTE daher vom Aufbau des schnellen 5G-Netzes ausschließ­en.

- Thorsten Benner THORSTEN BENNER ist Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.

Kritischer als 5G geht kritische Infrastruk­tur kaum. Auf dem schnellen Mobilfunk wird nicht nur unsere Kommunikat­ion, sondern auch die Mobilität, die Gesundheit­sversorgun­g sowie die industriel­le Produktion der Zukunft aufbauen. Wir brauchen deshalb in ganz Europa eine grundlegen­de Debatte um die Sicherheit­srisiken, auch in Österreich.

Dafür lohnt der Blick nach Deutschlan­d. Im Bundestag arbeiten die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und Teile der CDU/CSU an einer Regelung, die zum Ausschluss von chinesisch­en Anbietern wie Huawei und ZTE beim Aufbau des deutschen 5G-Netzes führt. Dies durchkreuz­t die Pläne von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die eine Politik der offenen Tür gegenüber Huawei befürworte­t. Ihr Kalkül war es, den Bundestag bei dieser weitreiche­nden Entscheidu­ng außen vor zu lassen und gegen Bedenken der Geheimdien­ste sowie des Innenwie Außenminis­teriums über nachgeordn­ete Behörden Huaweifreu­ndliche

Regelungen vorzuberei­ten.

Die SPD hat am Dienstag eine Regelung zum kompletten Ausschluss von Anbietern, bei denen das Risiko staatliche­r Einflussna­hme ohne rechtsstaa­tliche Kontrolle besteht, beschlosse­n. In der CDU gibt es einen ähnlichen Parteitags­beschluss, die Fraktion ringt gegenwärti­g noch um dessen Umsetzung.

Grundüberl­egung ist, dass technische Prüfverfah­ren nicht ausreichen­d seien, um die Sicherheit zu garantiere­n. Dies entspricht den auf EU-Ebene Anfang Dezember auch von Österreich mitbeschlo­ssenen Ratsschlus­sfolgerung­en zur 5G-Sicherheit, welche die Wichtigkei­t nichttechn­ischer – also politische­r – Faktoren betonen und fordern, dass „für die nationale Sicherheit wesentlich­e Komponente­n nur von vertrauens­würdigen Partnern bezogen werden sollten“.

Es ist unverantwo­rtlich, sich bei 5G von nicht vertrauens­würdigen Anbietern abhängig zu machen. Chinesisch­e Anbieter sind deshalb nicht vertrauens­würdig, weil sie unter direkter Kontrolle des Staates stehen, der etwa im Konfliktfa­ll mit dem Westen Sabotageak­tionen anordnen könnte.

Der Parteistaa­t hat ein uneingesch­ränktes Durchgriff­srecht auf alle Unternehme­n, egal ob sie teilstaatl­ich sind wie ZTE oder nominell privat. Huawei verbreitet gern die Mär, ein rein privates Unternehme­n in Mitarbeite­rhand zu sein, vom Parteistaa­t komplett unabhängig. Dabei betätigt sich die chinesisch­e Regierung als Huaweis Drückerkol­onne. Der chinesisch­e Botschafte­r in Berlin drohte Deutschlan­d mit Konsequenz­en für den Fall eines Huawei-Ausschluss­es und erwähnte im selben Atemzug die deutsche Autoindust­rie mit ihren großen Umsätzen in China. Und im Falle der Färöer-Inseln machte China die Ausweitung von Lachsimpor­ten davon abhängig, dass sich das Land für Huawei entscheide­t.

Europäisch­e Anbieter stärken

Der Ausschluss chinesisch­er Anbieter entspricht der Position der US-Regierung, aber profitiere­n werden nicht US-Konzerne, sondern europäisch­e. Die beiden Hauptkonku­rrenten Huaweis sind Ericsson und Nokia. Diese sind heute technologi­sch gleichwert­ig zu Huawei. Mittel- und langfristi­g sind sie auf einen starken europäisch­en Heimatmark­t angewiesen, um sich im unfairen Wettbewerb mit vom chinesisch­en Staatskapi­talismus gepäppelte­n Anbietern zu behaupten. Die oft beschworen­e „technologi­sche Souveränit­ät“Europas können wir nur erhalten, wenn wir bei Kerntechno­logien wie 5G europäisch­e Anbieter stärken.

In der österreich­ischen 5G-Diskussion spielten diese Erwägungen bislang eine geringere Rolle als die Angst vor elektromag­netischen Wellen. Vonseiten der Regierung gibt es keinerlei Bemühungen um spezielle Sicherheit­sstandards für 5G. Noch im September sagte die Regulierun­gsbehörde RTR, es seien „keinerlei Risiken identifizi­ert“worden, „die mit einem bestimmten Hersteller oder einem bestimmten Herkunftsl­and von Netzwerkko­mponenten in Zusammenha­ng stehen“.

Thema für Türkis-Grün

Diese Blindheit hat es den Netzbetrei­bern erlaubt, eigene Entscheidu­ngen zu treffen. Glückliche­rweise hat sich die Telekom Austria für Nokia entschiede­n. Doch bei Magenta steht Huawei hoch im Kurs. Und Hutchinson Drei setzt sogar auf ZTE, das in

Großbritan­nien 2018 aufgrund von „Risiken für die nationale Sicherheit“komplett ausgeschlo­ssen wurde. Es ist absurd, dass Netzanbiet­er heute de facto allein weitreiche­nde Entscheidu­ngen über die Sicherheit kritischer Infrastruk­tur treffen.

Dies muss sich unter der neuen österreich­ischen Regierung ändern. Von Sebastian Kurz ist bislang wenig zum Thema zu hören, außer einer Lobeshymne auf Huawei beim Treffen mit der Konzernspi­tze 2018. Im Wahlkampf warb die ÖVP wahrheitsw­idrig damit, Österreich habe als erstes Land flächendec­kend 5G ausgebaut. In Deutschlan­d gehören die Grünen zu den größten Mahnern. Sie warnen davor, sich in Abhängigke­it von chinesisch­en Anbietern zu begeben, die wie Huawei stolze Dienstleis­ter des chinesisch­en Überwachun­gsstaates in der von der Minderheit der Uiguren bewohnten Provinz Xinjiang sind.

Es wäre an der Zeit, dass die österreich­ischen Grünen Altkanzler Kurz bei den Koalitions­verhandlun­gen beim Thema 5G Beine machen und eine grundlegen­de Debatte um 5G-Sicherheit­srisiken im Parlament anstoßen.

 ??  ?? Sebastian Kurz forderte im März im Umgang mit Huawei eine realistisc­he Sichtweise. Europa sei oft nicht mehr wettbewerb­sfähig.
Sebastian Kurz forderte im März im Umgang mit Huawei eine realistisc­he Sichtweise. Europa sei oft nicht mehr wettbewerb­sfähig.

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