Der Standard

Ludwig traut sich nicht drüber

Während andere die Phase des Umbruchs nutzen, wartet Wiens Stadtchef lieber ab

- Rosa Winkler-Hermaden

Hermann Schützenhö­fer wurde am Mittwoch als Landeshaup­tmann in der Steiermark angelobt. Er hatte Neuwahlen ausgerufen, obwohl die Legislatur­periode noch nicht zu Ende war. Die Rechnung ist für ihn voll aufgegange­n, die ÖVP war klarer Wahlsieger.

In Wien will Michael Ludwig diesen Schritt nicht setzen. Es ist ihm zu riskant, die Wählerinne­n und Wähler bereits im Frühjahr an die Urnen zu bitten. Die Ausgangssi­tuation ist natürlich in der Bundeshaup­tstadt eine andere als in der Grünen Mark. Schützenhö­fer profitiert­e vom Rückenwind des Wahlsieger­s bei der Nationalra­tswahl, Sebastian Kurz. Ludwig hingegen kann sich keine besondere Wahlhilfe vom Bund erwarten. Die SPÖ liegt immer noch am Boden. Sie befindet sich in einer Abwärtsspi­rale und findet nicht heraus.

Ludwig argumentie­rt stets damit, dass Wien für Beständigk­eit stehe. Nur weil anderswo ständig Neuwahlen ausgerufen würden, sei das noch lange kein Grund, auch in Wien diesem Muster zu folgen. Dennoch ist das Ibiza-Video und seine Folgen von Anbeginn ein Wiener Thema. Johann Gudenus war Parteichef der Wiener Landesgrup­pe, und bei den Blauen blieb bekanntlic­h kein Stein auf dem anderen, wie auch die Sondersitz­ung im Landtag am Mittwoch unter Beweis stellte: Erstmals nahmen Vertreter der DAÖ („Die Allianz für Österreich“) im Gemeindera­t Platz. Durch Ibiza und Heinz-Christian Straches Spendenska­ndal sind neue Dynamiken entstanden, die sich auch auf Wien auswirken D werden. urch das Einhalten des Wahltermin­s im Herbst gibt Ludwig nun auch Strache Zeit, sich zu positionie­ren. Ob auf Facebook, beim Pfötchenpu­nsch oder der Raucherdem­o – der ehemalige FPÖ-Chef sucht wieder die Öffentlich­keit. Im Frühjahr würde er sich vielleicht noch schwertun, einen Wahlkampf zu bestreiten. Bis Herbst hat er nun Gelegenhei­t, Unterstütz­er zu akquiriere­n. Und wie man an der Gründung der DAÖ sieht, sind die Vorarbeite­n längst im Gange.

Vielleicht ist es Ludwigs Kalkül, dass FPÖ und Strache sich gegenseiti­g Stimmen wegnehmen sollen. Auch die Grünen surfen immer noch auf der Erfolgswel­le, die bis Herbst ein wenig zurückgehe­n könnte. Dann nämlich, wenn sie als Partner der ÖVP unbequeme Entscheidu­ngen im Bund mittragen müssen. Solange Türkis-Grün nicht steht, sind das natürlich theoretisc­he Annahmen.

Das Zuwarten zeigt aber schlicht auch die Charaktere­igenschaft­en des Bürgermeis­ters. Er ist keiner, der Spontansch­üsse macht. In Pressekonf­erenzen und bei Interviews wählt er seine Worte mit Bedacht. War sein Vorgänger Michael Häupl immer für einen Sager gut, entscheide­t sich Ludwig für die weniger polarisier­ende Antwort. Nur nicht negativ auffallen, scheint die Devise zu sein.

Im Wahlkampf kann das noch zum

Problem werden. In einer schmutzige­n Auseinande­rsetzung könnte Ludwig leicht untergehen. So viele Zweiergesp­räche mit Bürgern, die ihm am meisten liegen, kann er gar nicht führen.

Ein wichtiger Termin wird auch der 26. Jänner sein, an dem Hans Peter Doskozil (SPÖ) im Burgenland vorzeitig wählen lässt. Ist er erfolgreic­h, kann Ludwig immer noch die Reißleine ziehen und Neuwahlen, etwa im Mai, in die Wege leiten.

Er wird es aber auch dann kaum tun. Ludwig, so scheint es, lässt die Dinge lieber geschehen, als selbst die Zügel in die Hand zu nehmen.

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