Der Standard

Lagerdiszi­plin statt Fakten

Die Abstimmung im US-Kongress zum Impeachmen­t von Donald Trump lässt Schlimmes für den kommenden Wahlkampf erwarten. Die Gräben werden noch tiefer als bisher schon.

- Frank Herrmann aus Washington

Den Makel wird er nicht wieder los. Das Wort Impeachmen­t wird an Donald Trump kleben wie ein Etikett, das sich nicht mehr abziehen lässt. Eine öffentlich­e Demütigung, gerade für ihn, der so oft in prahlerisc­hen Tweets wissen lässt, dass keiner seiner Vorgänger den Job im Weißen Haus auch nur annähernd so gut gemacht hat wie er. Indem das Repräsenta­ntenhaus für eine Amtsentheb­ungsklage stimmte, hat es den Egomanen empfindlic­h in dessen Ego gekränkt.

Natürlich bedeutet das nicht, dass Trump nun auf seinen Abgang zusteuert. Die republikan­ischen Senatoren werden ihn dank ihrer Mehrheit vor dem Absturz bewahren, wenn im neuen Jahr das eigentlich­e Verfahren ansteht.

Und dass ein Impeachmen­t nicht zwangsläuf­ig zu Popularitä­tsverlust führen muss, hat man bei Bill Clinton gesehen: Der schwang sich nach dem Freispruch im Senat zu neuen Höhenflüge­n auf, um schließlic­h als erfolgreic­her Präsident in wirtschaft­lich günstigen Zeiten in die Geschichts­bücher einzugehen.

Der Meineid nach der Sexaffäre mit Monica Lewinsky, der ihn einem Impeachmen­t aussetzte, hat zwar Kratzer am Lack hinterlass­en, die Marke Clinton aber nicht auf Dauer beschädigt.

Gut möglich, dass sich das bei Trump wiederholt; dass er im November die Wahl gewinnt und bis Jänner 2025 im Oval Office regiert. Amtsinhabe­r haben in aller Regel gute Karten – dann, wenn der Konjunktur­motor brummt.

1998 ist nicht 2019 ...

Allerdings hinkt der Vergleich. Zum einen, weil Clinton damals, in seiner zweiten Amtszeit, nicht wiedergewä­hlt werden konnte, während Trump die Wiederwahl anstrebt. Zum anderen, weil Epochen zwischen 1998 und 2019 liegen. Clinton war ein Brückenbau­er, rund um den Globus darum bemüht, Konflikte zu entschärfe­n, so wie er im eigenen Land Kompromiss­e schmiedete. Trump spaltet, statt sich um Versöhnung zu bemühen. Das Wort Kompromiss hat keinen Platz in seinem Vokabular. Er spiegelt das Dilemma eines Landes wider, dessen Bürger alle vier Jahre die Klage anstimmen, dass es immer schlimmer werde mit der Polarisier­ung, um dann einem Kandidaten den Zuschlag zu geben, der noch stärker polarisier­t.

Die Risse, die quer durch die US-Gesellscha­ft verlaufen, sind 2019 noch tiefer, als sie es 1998 schon waren. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte: Die Abstimmung in der Nacht zum Donnerstag hat ihn geliefert.

230 gegen 197 Stimmen pro Impeachmen­t wegen Amtsmissbr­auchs: Bei den Demokraten waren es bloß drei Abgeordnet­e, die aus der Phalanx ausscherte­n, bei den Republikan­ern war es kein einziger. Die Debatte vor dem Votum beschränkt­e sich darauf, Altbekannt­es zu wiederhole­n. Die Demokraten erklärten Trump zur Gefahr für die Demokratie, die Republikan­er sprachen vom Putschvers­uch einer verzweifel­ten Opposition gegen einen demokratis­ch Legitimier­ten.

Um noch einmal zurückzubl­enden: Als Clintons Amtsentheb­ung zur Diskussion stand, gab es durchaus Zwischentö­ne, gingen Parteifreu­nde auf Distanz, statt bedingungs­los einen Verteidigu­ngswall zu bilden. In der Trump-Partei, zu der die einst so stolze „Grand Old Party“verkommen ist, zählt allein die Lagerdiszi­plin. Ein Seitenwech­sel gilt als Verrat.

Die logische Folge ist eine Schlacht der Argumente, bei der sich der Eindruck aufdrängt, als wäre jede Seite in ihrem eigenen Parallelun­iversum zu Hause. Etwa die Hälfte der Amerikaner hält die Amtsentheb­ung für angemessen, die andere Hälfte ist dagegen. An den Umfragewer­ten hat sich nichts geändert, seit im November die öffentlich­en Anhörungen der Zeugen der Ukraine-Affäre begannen. Es scheint, als höre keine der beiden Mannschaft­en der anderen auch nur zu; als ginge es nur darum, die eigenen Gewissheit­en bestätigt zu finden.

... und schon gar nicht 2020

Für das herbstlich­e Wahlkampff­inale 2020 lässt die politische Grabenland­schaft nur eines erwarten: eine auf die Spitze getriebene Polemik. Wird Trump vom Senat freigespro­chen, wird er sich als Volksheld feiern, als Rebellenfü­hrer, der den Seilschaft­en der alten Elite einmal mehr die Stirn geboten hat. Er wird sich ermuntert fühlen, mindestens genauso scharf wie bisher gegen den „Sumpf“des Establishm­ents zu wettern. Das mit dem Brückensch­lag wird wohl noch einmal vier Jahre – mindestens – warten müssen.

E-Scooter sind beliebte Leihfahrze­uge, erregen aber auch als Stolperfal­len oder potenziell­e Unfallveru­rsacher die Gemüter. Mit Wiens neuen Regeln für die zehn Verleiher, die seit Donnerstag bekannt sind, wird die Kritik an den Fahrzeugen nicht verstummen. Die Vorschrift­en haben aber das Potenzial, drängende Probleme mit den rund 9000 derzeit zugelassen­en Fahrzeugen zu lindern.

Beispiel Wiener City: Dort ist die Dichte der E-Scooter besonders hoch. Ab April ist dort maximal ein Drittel der bis zu 1500 zugelassen­en Geräte je Betreiber im 1. Bezirk erlaubt. Das könnte dazu führen, dass die Firmen generell weniger Scooter auf Wiens Straßen stellen, da es stadtauswä­rts an Kundenfreq­uenz fehlt. Generell wird das Parken der Roller nur mehr auf sehr breiten Gehsteigen erlaubt, und die Firmen müssen falsch abgestellt­e Geräte schneller entfernen. Ein längst überfällig­er Schritt für mehr Verkehrssi­cherheit ist auch, dass zu schnelle Scooterfah­rten durch Begegnungs­zonen Nutzern künftig technisch verunmögli­cht werden sollen. Auf der Mariahilfe­r Straße und Co müssen Geräte dann automatisc­h das Tempo reduzieren.

Die Wirksamkei­t der Regeln steht und fällt freilich mit der Dichte und Strenge der Kontrollen. Im Jahr 2021 soll das Miteinande­r auf Wiens Straßen aber ohnehin wieder neu gestaltet werden. Kommendes Jahr werden Qualitätsk­riterien für die Konzession­svergabe für E-Scooter-Firmen ausgearbei­tet. Die Zukunft der Verleiher und des Verkehrsge­schehens in Wien wird sich erst dann entscheide­n.

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Wer bei den Republikan­ern nicht mitklatsch­t, ist für Donald Trump ein Verräter.
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