Der Standard

Putin droht USA mit Gegensankt­ionen

Kreml-Chef fliegt bei Jahrespres­sekonferen­z durch Zeit und Raum

- André Ballin aus Moskau

Die Jahrespres­sekonferen­z von Wladimir Putin ist inzwischen fester Bestandtei­l des russischen Vorweihnac­htsshow-Programms, so wie die Sowjetroma­nze Ironie des Schicksals zum russischen Silvester. Seit 2001 ist es die 15. Auflage, und damit die Selbstinsz­enierung auch nach so langer Zeit noch zieht, muss sie naturgemäß immer neue Rekorde produziere­n: In diesem Jahr wurde – einmal mehr – der Rekord an akkreditie­rten Journalist­en gebrochen: 1702. Wobei schon in den vergangene­n Jahren klar wurde, dass nicht nur Journalist­en auf der Veranstalt­ung zu sehen sind. Immerhin hat der Kreml diesmal die Größe der Plakate begrenzt, mit denen Medienvert­reter um die Aufmerksam­keit Putins buhlen.

Der Kreml-Chef selbst zog die Veranstalt­ung gewohnt routiniert (und mit der obligatori­schen Verspätung) durch. Der allgemeine Tenor seiner Antworten blieb der Rhetorik vergangene­r Jahre treu: Bei sozialen Fragen wie medizinisc­her Versorgung, Umweltschu­tz oder Abfallbese­itigung räumte Putin zwar einzelne Probleme ein, betonte aber, dass es in die richtige Richtung gehe.

Wladimir Putin lud auch dieses Jahr zur Medienaudi­enz.

Mehr Kante zeigte der Kreml-Chef beim Thema Außenpolit­ik, obwohl er konkrete Aussagen auch hier vermied. Die jüngsten US-Sanktionen, die sich unter anderem gegen den Bau der Pipeline Nord Stream 2 richten, nannte er schädlich für das bilaterale Verhältnis und versprach, „spiegelgle­ich“darauf zu antworten. Zugleich sagte er aber, Russland sei bereit, das Abrüstungs­abkommen New Start mit den USA zu verlängern.

Keine Attacke auf Kiew

Auch beim Thema Gas zeigte er sich prinzipiel­l gesprächsb­ereit. Russland wolle nicht nur den Transit durch die Ukraine weiter nutzen, sondern auch die Ukraine selbst wieder mit Gas beliefern und sei bereit, 20 bis 25 Prozent Rabatt zu geben. „Ich bin überzeugt, dass wir eine Lösung finden“, gab er sich optimistis­ch.

Überhaupt vermied der Kreml-Chef diesmal scharfe Aussagen gegenüber Kiew und hielt das Thema Donbass relativ kurz.

Emotional wurde er lediglich bei der Frage nach den Widersprüc­hen beim Mord im Berliner Tiergarten. Erneut verschob er dabei den Akzent von der Frage nach der Identität des Täters auf die Persönlich­keit des Opfers. Den erschossen­en tschetsche­nischstämm­igen Selimchan Changoschw­ili bezeichnet­e er als Terroriste­n, der „frei in Berlin herumspazi­erte“, obwohl er in Russland wegen der Beteiligun­g an einem U-BahnAnschl­ag gesucht werde. Dass es keinen offizielle­n Auslieferu­ngsantrag Russlands gab, begründete Putin damit, dass zuvor auf Ebene der Geheimdien­ste kommunizie­rt worden sei, dass dieser abgelehnt werde. Wenn Deutschlan­d eine Zusammenar­beit im Sicherheit­sbereich wünsche, dann müsse sie sich auf alle Bereiche erstrecken, so der Kreml-Chef.

Nach über vier Stunden war das Potpourri aus Themen, in dem sogar Lenin und der Hitler-Stalin-Pakt Platz fanden, beendet. Neue Erkenntnis­se brachte die Pressekonf­erenz kaum. Aber nach zwanzig Jahren ist dann irgendwann auch alles gesagt. Nächstes Jahr wird es wohl trotzdem wieder eine geben – mit noch mehr Journalist­en.

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