Der Standard

Kein vorkoaliti­onärer Weihnachts­friede

Es wird verhandelt, auch über die Feiertage. Wie nahe am Ziel ÖVP und Grüne bereits sind, darüber gibt es bei beiden Parteien unterschie­dliche Darstellun­gen. Die einen wähnen sich kurz vor dem Durchbruch, die anderen bremsen noch ein wenig.

- VERHANDLUN­GSTEAM: Sebastian Fellner, Michael Völker

Grünen-Chef Werner Kogler sieht entscheide­nde Punkte in den Verhandlun­gen noch vor sich.

Die Koalitions­verhandlun­gen haben Vorrang. Vorrang auch vor den Feiertagen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz will sich keine Zeit lassen, eine längere Verhandlun­gspause ist nicht vorgesehen. Am Freitag wird noch intensiv verhandelt, am Wochenende soll es zumindest weitere Gespräche geben. Hört man in die ÖVP hinein, gewinnt man den Eindruck, die Verhandlun­gen seien schon so gut wie abgeschlos­sen. Die wesentlich­en Punkte seien ausgeräumt, heißt es, und ganz konkret: Am Wochenende, am Sonntag, soll der erzielte Durchbruch verkündet werden.

Das ergäbe einen sehr straffen Zeitplan. Am Wochenende also würde der Durchbruch verkündet, dann könnten die Grünen gleich ihren Bundeskong­ress einberufen, der den Koalitions­pakt absegnen soll. Dieser Bundeskong­ress, dem 276 Leute angehören, hat zumindest eine Woche Vorlaufzei­t. Er könnte theoretisc­h also am Wochenende des 28. und 29. Dezember tagen – und der türkis-grünen Koalition seinen Sanktus geben. In den darauffolg­enden Tagen könnten die potenziell­en Regierungs­mitglieder bereits den Gang zum Bundespräs­identen antreten, um ihre Angelobung vorzunehme­n – am 30. oder 31. Dezember oder in der ersten Jännerwoch­e.

So malen sich das einige türkise Funktionär­e aus. Auf grüner Seite ist man allerdings mehr als skeptisch, ob das halten kann. Offenbar gehe es Kurz und seinem Team darum, Druck zu erzeugen, das sei durchaus eine gängige Methode der Verhandlun­gsführung. Aber: Es wird so lange verhandelt, wie wir verhandeln müssen, heißt es auf grüner Seite. Und ja, die Verhandlun­gen laufen gut und seien konstrukti­v, aber von einem Durchbruch sei man doch noch ein gutes Stückchen entfernt. Mit dem jetzigen Verhandlun­gsstand könnte man dem grünen Bundeskong­ress kein Paket vorlegen, das dort Zustimmung fände.

Auf ÖVP-Seite räumt man immerhin ein, dass noch ein gutes Stück Arbeit vor den Verhandlun­gsteams steht – allerdings schon auf höchster Ebene. Die Untergrupp­en würden demnach nur noch bei offenen Fachfragen hinzugezog­en. Inhaltlich sei alles besprochen, die Einigung sei aber noch auszuhande­ln. In vielen Bereichen gebe es bereits Ergebnisse, an deren Verschrift­lichung werde auch schon eifrig gearbeitet.

In nahezu allen zentralen Bereichen seien aber noch Punkte offen. Das betreffe vor allem die grünen Kernthemen Klimaschut­z, Transparen­z und Kontrolle sowie die Frage der Gerechtigk­eit. Das sind im Wesentlich­en Steuerfrag­en, aber auch die Armutsbekä­mpfung.

Schwierige Sozialhilf­e

Ein heikler Punkt dabei ist die neue Sozialhilf­e, deren zentrale Teile vom Verfassung­sgerichtsh­of gekippt wurden. Sowohl die geforderte­n Sprachkenn­tnisse als Voraussetz­ung für den Bezug der vollen Sozialhilf­e wie auch die abnehmende Unterstütz­ung pro Kind waren von den Grünen kritisiert worden. Kurz wollte das ursprüngli­ch keinesfall­s ändern. Jetzt müssen ÖVP und Grüne darüber verhandeln, wie eine Reparatur des Gesetzes ausschauen könnte und was man den Bundesländ­ern darin vorschreib­t. Das ist auch im Fall des rot-grünen Wien schwierig, das sich gegen die Vorgaben von Kurz gewehrt hatte. Die grüne Vizebürger­meisterin Birgit Hebein ist mit im Verhandlun­gsteam – und recht motiviert. Sie empfindet keinen Zeitdruck.

Und dass man jene 276 Delegierte­n, die auf dem grünen Bundeskong­ress stimmberec­htigt sind, zwischen Weihnachte­n und Neujahr zu einem Wochenendt­ermin nach Wien beordert, gilt bei aller Priorität, die man der Regierungs­beteiligun­g einräumt, als unwahrsche­inlich, weil realitätsf­ern. Und das wollen sich die Grünen doch nicht nachsagen lassen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz glaubt sich offenbar schon näher am Ziel als sein Gegenüber.

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