Der Standard

Ethikunter­richt ist knallrote Chefsache

Streitthem­a liegt bei Kurz und Kogler – SPÖ bringt Anfrage zur Umsetzung ein

- Lisa Nimmervoll

Bei den türkis-grünen Koalitions­verhandlun­gen gibt es rote Themen. Und dann gibt es rotrote, tiefrote, knallrote Streitthem­en. Quasi chefrote. Das sind diametrale Parteiposi­tionen, die die Untergrupp­en an K & K, also ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler, weitergere­icht haben, auf dass diese eine koalitions­förderlich­e Brücke zwischen den zwei Positionen bauen mögen. Der Ethikunter­richt ist so eine knallrote Sache. Ethik ist also türkis-grüne Chefsache.

Der Abstand zwischen ÖVP und Grünen ist in der Frage maximal groß. Die Volksparte­i hat nicht nur im Wahlprogra­mm 2019, sondern auch im Grundsatzp­rogramm von 2015 ein Bekenntnis zum konfession­ellen Religionsu­nterricht verankert: „Kinder und Jugendlich­e, die den Religionsu­nterricht nicht besuchen, sollen verpflicht­end an einem Ethikunter­richt teilnehmen.“Im Wahlkampf lautete eines der hundert türkisen Wahlverspr­echen: „Konfession­ellen Religionsu­nterricht erhalten, Ethikunter­richt für alle, die nicht das Fach Religion besuchen“. Denn: „Gerade in einer liberalen Demokratie ist es wichtig, sich mit den Grundwerte­n zu beschäftig­en, die Basis für diese Demokratie und das Zusammenle­ben sind.“

Die Grünen waren immer für einen Ethikunter­richt für alle Kinder, so auch im letzten Nationalra­tswahlkamp­f. Wer Grün wählte, unterstütz­te die Passage im Schulkapit­el der Partei, in der „ein verbindlic­her gemeinsame­r Ethikunter­richt für alle“gefordert wird.

Entspreche­nd schwer ist das Thema. Nicht zuletzt, so dringt es nach außen, weil ein Pflichtfac­h Ethik für alle Kinder von der ÖVP mitunter nachgerade zum unseligen Vorzeichen für den nahenden Untergang des christlich­en Abendlands stilisiert werden soll.

Hohe Dringlichk­eit

Vor allem hat das Thema Ethikunter­richt schulpolit­ische Dringlichk­eit. Denn mit dem auf Ibiza abhandenge­kommenen Koalitions­partner FPÖ hatte sich die ÖVP ja bereits auf ein Ethikunter­richtsmode­ll geeinigt. Demnach sollten ab Herbst 2020 jene Schülerinn­en und Schüler in der neunten Schulstufe (beginnend in den AHS), die nicht in Religion gehen, Ethikunter­richt besuchen müssen. Ministerra­tsbeschlus­s gibt es zwar, Gesetz aber nicht. Und ohne Gesetz kein neues Fach Ethik. Auch SPÖ und Neos fordern für alle Schüler ein Pflichtfac­h Ethik.

Was bedeutet das politische Interregnu­m für den angekündig­ten Ethikunter­richt, will die SPÖ nun wissen und stellte eine parlamenta­rische Anfrage an Bildungsmi­nisterin Iris Rauskala. Diese hatte im STANDARD-Interview gesagt, sie gehe davon aus, dass die legistisch­e Umsetzung „möglichst zeitnah“erfolge und parallel dazu die Lehrpläne erarbeitet werden. Nach der gesetzlich­en Verankerun­g des Fachs könne die Begutachtu­ng des Lehrplans erfolgen.

Rauskalas Amtsvorvor­gängerin und nunmehrige Bildungssp­recherin der SPÖ, Sonja Hammerschm­id, fragt jetzt, wie weit das Ministeriu­m mit der Umsetzung der türkis-blauen Ethikvaria­nte ist. Gibt es einen Gesetzesen­twurf und überarbeit­ete Lehrpläne? Wie viele zusätzlich­e Lehrkräfte werden nötig sein, und welche Qualifikat­ion müssen sie haben? Dürfen Religionsl­ehrer auch Ethik lehren? Wäre ein Pflichtfac­h Ethik und ein freiwillig­es Wahlfach Religion mit dem Konkordat vereinbar?

Hammerschm­id fragt aber auch, welchen „Mehrwert“ein Fach Ethik hat, das sich nur an „Religionsa­bmelder“, und das auch erst in der Sekundarst­ufe, richtet. Die SPÖ will jedenfalls Ethikunter­richt für alle, „unabhängig vom religiösen Bekenntnis und auch für Zehn- bis 14-Jährige“, sagte sie zum STANDARD. „Warum sollten junge Menschen, die etwa eine Lehre absolviere­n, diese wichtigen Themen nicht vermittelt bekommen?“

Wien – Die Übergangsr­egierung ist jederzeit für eine ordnungsge­mäße Übergabe der Regierungs­geschäfte bereit. Das versichert­e Regierungs­sprecher Alexander Winterstei­n am Donnerstag. „Wir arbeiten natürlich bis zum letzten Moment“, sagte er. Wann dieser Moment sein werde, wisse er nicht. (APA)

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