Der Standard

Offene Fragen zu Weihnachts-Terrorplän­en

Die Anschlagsp­läne eines wegen Terrordeli­kten bereits einsitzend­en jungen Georgiers dürften länger bekannt gewesen sein als bisher kommunizie­rt. Auch Kritik an zu wenig Geld für Deradikali­sierungsma­ßnahmen werden laut.

- Irene Brickner, Gabriele Scherndl

Im Fall der drei Männer, die Terroransc­hläge auf Wiener und andere europäisch­e Weihnachts­märkte geplant haben sollen, tun sich Fragen auf. Wie berichtet soll ein 24-jähriger, aus Georgien stammender Tschetsche­ne, der wegen islamistis­cher Terrordeli­kte einsitzt, aus der Haft heraus Ausbruchs- und Attentatsp­läne geschmiede­t haben.

Mithilfe von in die Justizvoll­zugsanstal­t eingeschmu­ggelten Handys soll er mit zwei damals in Freiheit lebenden Tschetsche­nen russischer Staatsbürg­erschaft in Kontakt gestanden haben. Die beiden 25 und 31 Jahren alten mutmaßlich­en Komplizen befinden sich seit vergangene­r Woche in Wiener Neustadt in U-Haft.

Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die Öffentlich­keit über den Terrorverd­acht gegen die drei informiert. Der 24-jährige Drahtziehe­r habe aus der Justizvoll­zugsanstal­t Hirtenberg, wo er seine Strafe absaß, ausbrechen und zur Weihnachts­zeit Terrorangr­iffe durchführe­n wollen, hieß es. Man habe ihn daher in ein Hochsicher­heitsgefän­gnis verlegt; dem Vernehmen nach in die Justizvoll­zugsanstal­t Stein.

Diese Übersiedlu­ng dürfte jedoch deutlich früher stattgefun­den haben; laut dem Standard vorliegend­en Informatio­n vor rund zwei Monaten. Darauf lassen auch Berichte in Kurier und ServusTV schließen. In ihnen ist etwa von Kontakten des Hauptverdä­chtigen mit einem weiteren nach missglückt­en islamistis­chen Attentatsp­länen in Stein inhaftiert­en Mann im November die Rede.

Seit wann also wussten die Behörden von den mutmaßlich­en Terrorplän­en des 24-jährigen Georgiers? Was gab den Ausschlag, um die Öffentlich­keit vergangene Woche zu informiere­n? Am Donnerstag gab es auf diese Frage weder im Justiz- noch im Innenminis­terium Antworten.

Unklar war bis dato auch, auf welcher aufenthalt­srechtlich­en Grundlage sich der hauptverdä­chtige Georgier in Österreich befindet. Laut Standard-Informatio­nen wurde ihm und seiner Familie 2012 Asyl zuerkannt; daher brachte man sie nach Österreich zurück, nachdem der damals 22Jährige, seine Mutter und seine Ehefrau 2015 in der Türkei aufgegriff­en worden waren. Sie wollten sich der Terrormili­z IS in Syrien anschließe­n.

2017 wurde dem Georgier und seiner Familie der Asylschutz gestrichen. Derlei Aberkennun­gsverfahre­n sind in Fällen schwerer Kriminalit­ät wie Terrorismu­s gesetzlich vorgeschri­eben. Da der Familie aber in der Heimat schwere Verfolgung droht, ist sie nicht abschiebba­r; auch das ist in nach derlei Aberkennun­gen häufig der Fall.

Nach Kritik von Seelsorger­n an den mangelnden Mitteln für die Betreuung in Haft – trotz steigender Inhaftieru­ngen wegen Terrordeli­kten – kommt nun auch Kritik an der Nachbetreu­ung in der Bewährungs­zeit. Die Deradikali­sierung sei nicht immer finanziell abgesicher­t. Auf Nachfrage bestätigt der Verein Derad, dass die Finanzieru­ng der Deradikali­sierungsar­beit durch die Gerichte nicht immer funktionie­ren würde – auch wenn dafür eine Weisung erteilt worden sei. Vom Justizmini­sterium heißt es dazu jedoch, wenn eine Justizanst­alt eine Nachbetreu­ung vorschlage und es eine gerichtlic­he Weisung dazu gebe, würden die Kosten für die Nachbetreu­ung übernommen. Für den Hauptverdä­chtigen im aktuellen Fall gab es laut Derad übrigens keine Weisung. Ihn traf man ehrenamtli­ch, so Derad.

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Trotz Terrorplän­en verstärkt die Polizei die Sicherheit­smaßnahmen rund um Wiens Weihnachts­märkte nicht. Auf dem Rathauspla­tz stehen schon länger Poller.

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