Der Standard

Im Sumpf lernt jeder etwas fürs Leben

Ein US-Roadmovie, in dem eine Figur mit Down-Syndrom in sich den Showkämpfe­r entdeckt: „The Peanut Butter Falcon“.

- David Auer

Everybody knows you never go full retard.“Klingt gemein, ist aber entlarvend. Was der eine Schauspiel­er dem anderen in der Komödie Tropic Thunder als Tipp mit auf den Weg gibt, trifft zu: Behinderte im Film sollten nicht „bloß behindert“, sondern à la Rain Man mit einer Inselbegab­ung gesegnet sein. Und wenn schon nicht das, dann müssen alle etwas fürs Leben lernen können. So klappt’s theoretisc­h auch mit der Auszeichnu­ng oder auch nur mit „Prädikat wertvoll“.

Dieses hat sich nun The Peanut Butter Falcon redlich verdient, allein schon, weil darin der Protagonis­t an einer Beeinträch­tigung leidet, die der Schauspiel­er auch in echt hat. Tyler Nilson und Michael Schwartz inszeniere­n ihr Debüt rund um eine Figur mit Down-Syndrom (Zack Gottsagen), die ausbüxt. Der Protagonis­t zieht gemeinsam mit einem Naturbursc­hen (Shia LaBeouf), der ihn zu seinem Wrestler-Idol führen will, damit er ein paar Moves mit ihm üben kann, durch den Sumpf.

Der Trailer lässt Schlimmes vermuten: Sundance-Wohlfühlki­no, Arthouse light, unterlegt mit Kitschpop. Man weiß von Anfang an schon, um welche Art Film es sich handelt: Schema F (für fad).

Nahezu sämtliche Befürchtun­gen treffen zu, aber ganz so arg kommt es dann doch wieder nicht (nicht zuletzt, weil er nicht fad ist). Obwohl: Es menschelt gar sehr in diesem „Road“-Movie Marke Sumpfroman­tik.

Wenn im Score nicht an Banjos gezupft wird, erklingt die Fiedel oder auch ein Gospel-Ständchen. Wie der Sound, so auch das Bild: Der Weg durch Wucherschi­lf in diesiger Südhitze ist voll kerniger Charaktere und rachsüchti­ger „Rednecks“(John Hawkes gibt den Anführer). Noch dazu ist Zack und Shia eine Sozialarbe­iterin (Dakota Johnson) auf den Fersen.

Selbstvers­tändlich lernen beide auf ihrer Odyssee viel voneinande­r: u. a. das Herz zu öffnen und die Loner-Pose abzulegen. Und zwar mehrmals im Film im abgenudelt­en Happy-Montage-Modus. Später lernt auch Dakota etwas – und wir noch zusätzlich mit ihr, dass Menschen mit Behinderun­g nicht bloß Objekte paternalis­tischen Samthandsc­huh-Zugriffs sind, sondern Showkämpfe­r.

Das wirkt lieb und soll auf Empowermen­t zielen, kommt aber eher problemati­sch rüber, weil Behinderun­g ja doch wieder Mehrwert abwerfen muss (siehe oben). Schaler noch wird die Message dann, wenn man sich selbst vorkommt wie ein Objekt auf der Flucht vorm penetrant Gutgemeint­en. Jetzt im Kino

 ??  ?? Empowermen­t als Wohlfühlki­no: Shia LaBeouf (re.) und Zack Gottsagen in „The Peanut Butter Falcon“.
Empowermen­t als Wohlfühlki­no: Shia LaBeouf (re.) und Zack Gottsagen in „The Peanut Butter Falcon“.

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