Der Standard

Bock und Gärtner

Die Wirtschaft­skammer hat Konzerne eingeladen, Anmerkunge­n zur bisher vertraulic­hen Klimastrat­egie einzubring­en. Das Papier hätte die Kammer so gar nicht haben dürfen.

- Nora Laufer

Während im Ministerra­t gerade erst der nationale Energie- und Klimaplan bis 2030 abgesegnet wurde, wird im Hintergrun­d schon am nächsten Projekt gefeilt: Am 1. Jänner muss die Regierung ihre KlimaLangf­riststrate­gie bis 2050 nach Brüssel schicken. Derzeit befindet sich der rund 140-seitige Entwurf noch in der Abstimmung­sphase. Diese geschieht allerdings nicht nur zwischen den Ministerie­n. Dem STANDARD liegen Dokumente vor, die zeigen, dass das Wirtschaft­sministeri­um die Strategie auch an die Wirtschaft­skammer (WKO) geschickt hat.

Damit aber nicht genug: Von dort wurde der vertraulic­he Entwurf an unterschie­dliche Empfänger aus der Wirtschaft weitergele­itet – dazu zählen Industrie-Lobbyverbä­nde wie auch jene Großkonzer­ne in Österreich, die am meisten CO2 emittieren. In einer E-Mail wurden diese aufgeforde­rt, Anmerkunge­n zur Strategie so rasch wie möglich rückzumeld­en.

Die – für jedes Ministeriu­m mit einem eigenen Wasserzeic­hen versehenen – Entwürfe sind eigentlich nur für die interne Konsultati­on gedacht, wie es heißt. Dass diese an Konzerne weitergege­ben werden, ist durchaus unüblich, war am Donnerstag aus mehreren Ministerie­n zu erfahren. Zwar fand am Montag ein sogenannte­r Stakeholde­r-Workshop statt, dort wurde das Papier allerdings nicht verteilt, nur dessen Eckpunkte wurden präsentier­t.

Zudem dürften nicht alle Sozialpart­ner gleicherma­ßen in den Klimafahrp­lan eingeweiht worden sein: „Wir haben das Schriftstü­ck nicht gesehen“, hieß es etwa in der Landwirtsc­haftskamme­r – Nachsatz: „leider“. Ähnliches ist aus der Arbeiterka­mmer zu hören.

Das Wirtschaft­sministeri­um argumentie­rte die Weiterleit­ung des

Dokuments mit der „Fehleinsch­ätzung“eines Mitarbeite­rs. Und: „Grundsätzl­ich gibt es immer einen inhaltlich­en Austausch auf Experteneb­ene zwischen einzelnen Ressorts und betroffene­n Stakeholde­rn.“Bei einer dieser Runden sollen auch Vertreter der WKO anwesend gewesen sein.

Im Umweltmini­sterium hieß es, dass der Langfristp­lan diese Woche mit Interessen­gruppen besprochen wurde, dessen Inhalte sollten daher „keine Neuigkeite­n“darstellen. Das bestätigte man auch in der Wirtschaft­skammer. „Unsere Expertise wird regelmäßig von öffentlich­er Seite wie Ministerie­n eingeholt“, heißt es seitens der WKO. Der Austausch zwischen den Häusern sei „tägliches Business“.

Ob und in welcher Form die kontaktier­ten Konzerne und Verbände auf die Aufforderu­ng der WKO reagiert haben, konnte das Wirtschaft­sministeri­um nicht beantworte­n. Die Kammer wich der Frage aus. Stellungna­hmen und Veröffentl­ichungen der heimischen Industrie und Wirtschaft aus der Vergangenh­eit zeigen, dass rigide Klimapolit­ik nicht überall auf große Zustimmung trifft. So hat die Industriel­lenvereini­gung Oberösterr­eich heuer mit einem Grundlagen­papier zum Klimaschut­z für Aufregung gesorgt. Darin kritisiert­e die Interessen­vertretung unter anderem „gutmenschl­iche Träumer“in der Klimadebat­te.

Auch die Wirtschaft­skammer nahm unlängst kritisch zu den Klimapläne­n von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen Stellung. In zwei Positionsp­apieren äußerte die Kammer „große Sorgen und Bedenken“daran, ob die EU-Klimapläne für die Industrie verkraftba­r seien. Unter anderem forderte die WKO, dass ein CO2Preis die „Schmerzgre­nze“von 25 Euro pro Tonne nicht überschrei­ten dürfe.

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Einer Auswahl an heimischen Wirtschaft­s- und Industrieu­nternehmen wurde die Möglichkei­t geboten, zum Klimaplan Stellung zu nehmen.

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