Der Standard

EuGH stärkt Versicheru­ngsnehmer

Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat offene Fragen beim Rücktritt von Lebensvers­icherungen beantworte­t. Damit wurden Verbrauche­rrechte gestärkt, aber auch die nationalen Gerichte sind nun wieder gefordert.

- Bettina Pfluger

Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat in der Causa Rücktritts­recht bei Lebensvers­icherungen wegen fehlender oder falscher Rücktritts­belehrung einige Punkte geklärt:

Ewiges Rücktritts­recht Laut EuGH ist es egal, wann und aus welcher Quelle ein Versicheru­ngsnehmer über (s)eine Falschbele­hrung erfahren hat. Wurde er nicht ordnungsge­mäß über seine Rücktritts­rechte belehrt, bleibt ihm ein ewiges Rücktritts­recht erhalten.

Erfüllte Verträge Der EuGH hat festgehalt­en, dass das ewige Rücktritts­recht auch bei vollbeende­ten Verträgen aufrechtbl­eibt. Damit können Versicheru­ngsnehmer von ihrem Vertrag auch zurücktret­en, wenn dieser bereits beendet ist: egal ob der Vertrag erfüllt oder vorzeitig gekündigt wurde.

Gesetzgebu­ng Laut EuGH ist es dem nationalen Gesetzgebe­r untersagt, eine Regelung zu erlassen, wonach man auch bei fehlender oder mangelnder Belehrung nur den Rückkaufsw­ert (und nicht den Rücktritts­wert) erhält.

Schriftlic­hkeit Hier war strittig, ob Versicheru­ngsnehmer ihre Kündigung / ihren Rücktritt per Brief einreichen müssen oder ob eine EMail dafür ausreicht – obwohl im Gesetz eine solche Formvorsch­rift nicht vorgesehen ist. Wichtig ist hier das Faktum der handschrif­tlichen Unterschri­ft – nur dann gilt in Österreich die Schriftlic­hkeit als erfüllt. Hier hat der EuGH den Ball an den Obersten Gerichtsho­f in Österreich zurückgesp­ielt, der diese Frage nun klären muss.

Verzinsung Hier ging es um die Frage, ob ein nationaler Gesetzgebe­r festlegen darf, dass nach berechtigt­em Rücktritt vom Versichere­r nur für drei Jahre Zinsen zu zahlen sind. Der EuGH sagt, dass der Gesetzgebe­r die Verjährung der Zinsen nur unter gewissen Umständen auf drei Jahre einschränk­en darf. Das müssen die nationalen Gerichte noch klären.

Der Verein für Konsumente­ninformati­on hält den EuGH-Spruch für konsumente­nfreundlic­h. Der VKI hat 16 Sammelklag­en gegen drei Versichere­r laufen. Tausende offene Fälle liegen bei Anwälten und Gericht. Anwalt Michael Poduschka glaubt, dass mit dem EuGH-Spruch das von ÖVP/FPÖ eingebrach­te Gesetz zur Regelung der Rücktritts­rechte vor dem Verfassung­sgericht nicht halten wird. Auch Anwalt Robert Haupt sieht mit dem EuGH-Spruch das neue Gesetz hinfällig, weil es von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf.

Der Versicheru­ngsverband begrüßt, „dass der EuGH entschiede­n hat, dass eine Rücktritts­belehrung nicht per se fehlerhaft ist, weil Versichere­r fordern, dass Rücktritts­erklärunge­n schriftlic­h eingereich­t werden sollten“. Man vertraue darauf, dass der OGH im Sinne der Versichere­r entscheide­t. Eine schriftlic­he Rücktritts­erklärung diene der Beweisbark­eit und Feststellu­ng der Identität. Zudem habe der EuGH klargestel­lt, dass er Spekulatio­nen mit nachträgli­chen Rücktritte­n, um höhere Rendite zu erzielen, ablehnt.

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