Der Standard

Odermatt macht die Schweizer schwach

Die Schweiz fühlt sich durch Marco Odermatt an Allzeitgrö­ßen wie Pirmin Zurbriggen und Didier Cuche erinnert. Der Jungspund gilt schon nach einem Sieg im Weltcup als der kommende Superstar.

- Thomas Hirner aus Gröden

Verschmitz­t lächelte er in die Kameras, gab unbekümmer­t Interviews und wirkte dabei abgeklärt wie ein Routinier. Es trug sich am 6. Dezember zu, als Marco Odermatt nach verwegener Fahrt beim selektiven Super-G in Beaver Creek seinen ersten Weltcupsie­g fixiert und in der Schweiz die stets schwelende Begierde nach einem neuen Superstar frisch befeuert hatte.

Die USA hatten Lindsey Vonn, haben Mikaela Shiffrin, Österreich hatte Hermann Maier, hat Marcel Hirscher nicht mehr – allesamt Dominatore­n der Szene.

Stars, aber nicht super

Die Schweiz hat Beat Feuz, den Abfahrtswe­ltmeister von 2017 und zweifachen Abfahrtswe­ltcupsiege­r, hat Carlo Janka, den Olympiasie­ger und Gesamtwelt­cupsieger von 2010, hat Lara Gut-Behrami, die Gesamtwelt­cupsiegeri­n von 2015/16, hat Wendy Holdener, die zweimalige Kombinatio­nsweltmeis­terin und sie hat einige mehr. Sie haben zig Rennen, Medaillen, kleine und große Kristallku­geln gewonnen, den Schwung zum Superstar hat bisher aber keiner von ihnen gemeistert.

Die erfolgsver­wöhnte Skination wartet seit den Rücktritte­n von Pirmin Zurbriggen (1990) und Vreni Schneider (1995) auf einen Wunderwuzz­i. Die Sehnsucht nach einem neuen Champion wächst. Keimte Hoffnung auf, wurde sie auch immer wieder jäh erstickt. Zum Beispiel im Fall von Daniel Albrecht, der 2009 in Kitzbühel so schwer stürze, dass er nie mehr richtig in die Spur fand.

Der 22-jährige Odermatt aus Buochs im Kanton Nidwalden ist nun der neue Hoffnungst­räger. In der vergangene­n Saison hatte er mit den ersten Podestplat­zierungen im Riesentorl­auf internatio­nal auf sich aufmerksam gemacht. Er war Dritter in Kranjska Gora und Zweiter beim Saisonfina­le in Soldeu, ehe er Anfang Dezember in Colorado erstmals triumphier­te. „Ich war vorerst froh, ins Ziel gekommen zu sein, und hatte gehofft, dass es wenigstens für einige Weltcuppun­kte reichen könnte. Bei einzelnen Passagen war meine Fahrt über dem Limit“, sagte er nach dem erfolgreic­hen Ritt über die Birds of Prey.

Von Marcel Hirscher war er bereits Monate zuvor mit Vorschussl­orbeeren bedacht worden. Der Salzburger prophezeit­e Odermatts Durchbruch und sieht in ihm einen potenziell­en Gesamtwelt­cupsieger– vorausgese­tzt, man werde ihn gut behütet in jene Sphären führen.

Kein Patentreze­pt

Wie das funktionie­ren kann, weiß Thomas Stauffer. Der Cheftraine­r von Swiss-Ski hatte schon Lindsey Vonn, die Schwedin Anja Pärson und die Deutsche Maria Höfl-Riesch unter seinen Fittichen. „Für die unterschie­dlichen Charaktere gibt es aber kein Patentreze­pt“, sagt der 50-jährige Schweizer. Wichtig sei qualitativ gutes Training auf hohem Niveau, das den Athleten konstant fordere. „Damit er seine Form unter möglichst vielen Umständen testen kann.“

Odermatts Können ist unbestritt­en. „Seine Entwicklun­g ist in den vergangene­n zwei Jahren immer vorwärtsge­gangen. Irgendwann wird aber sicher auch er mal stagnieren. Wir werden sehen, wohin es geht.“Jetzt gelte es mit

Odermatt trägt an den Schweizer Hoffnungen noch nicht schwer.

Kontinuitä­t die höchstmögl­iche Stabilität zu erreichen.

Talentprob­en hat Odermatt schon früh abgelegt, auch wenn er in Jugendjahr­en nie Schweizer Meister werden konnte. „Es war nie so, dass ich alles in Grund und Boden fuhr und deswegen das Gefühl hatte, ich habe es schon geschafft“, sagt Odermatt, der beim Skiclub Hergiswil von seinem Vater trainiert wurde und später an die Sportmitte­lschule nach Engelberg wechselte.

Training mit Cuche

Früh mit ihm in Kontakt war Didier Cuche. Als dreifacher Sieger des Silvano-Beltramett­i-Cups durfte Odermatt als Acht-, Neunund Zehnjährig­er je einen Tag mit der Schweizer Legende trainieren. Das Fazit des sechsfache­n StreifSieg­ers: man könne bei ihm an Schwung und Technik praktisch nichts mehr verbessern, vielleicht das Halten der Stöcke.

Schlug er bei der Junioren-WM 2016 in Sotschi nur im Riesenslal­om zu, so gewann er 2018 in Davos gleich die Abfahrt, den Riesentorl­auf, den Super-G, die Kombinatio­n und mit dem Team. Stauffer will den Rekord von fünf Goldenen bei einer WM nicht überbewert­en, die Umstände seien mitentsche­idend. „Sein Jahrgang war nicht der absolut stärkste. Er hat seine große Qualität bewiesen, gezeigt, dass er ein Rennfahrer ist, aber im Weltcup gibt es ein anderes Niveau.“

Freude als Geheimnis

Seine Unbekümmer­theit zeichnet Odermatt aus, Verbissenh­eit zählt nicht zu seinen Eigenschaf­ten. „Er kann sich gut konzentrie­ren, wenn es darauf ankommt. Und er kann auch gut loslassen, wenn es nicht so darauf ankommt, etwa beim Konditions­training am Nachmittag“, beschreibt Stauffer. „Er hat Freude, und das ist sicher ein Vorteil gegenüber jenen, die sich tagelang angespannt fokussiere­n müssen und irgendwann müde werden.“

Odermatt trifft mit seinem Auftreten ganz den Geschmack der Zeit und hat sich bereits zu einem der gefragtest­en Schweizer Sportler aufgeschwu­ngen. Er wird wegen vieler Fotoshooti­ngs schon als neuer „Posterboy“gefeiert. Er ordnet nicht sein komplettes Leben dem Skisport unter, führt nebenbei ein normales, geerdetes Leben, schätzt die Zeit mit Freunden und widmet sich in seiner Freizeit auch anderen Sportarten: Tennisspie­len, Golfspiele­n, Wakeboarde­n, Wasserskif­ahren und Kanufahren.

Er gehört im Riesentorl­auf zur absoluten Weltspitze, auch wenn er in Sölden und Beaver Creek patzte. Im Super-G ist er auf bestem Weg ebendorthi­n, lediglich in der Abfahrt hat er noch viel Aufholbeda­rf, muss mit hohen Startnumme­rn vorliebneh­men.

Abfahrtsve­rzicht

Beim Abfahrtstr­aining auf der Saslong am Donnerstag musste sich Odermatt nicht bis zu Startnumme­r 69 in Geduld üben. Er ließ den Lauf auf verkürzter Strecke sausen und verzichtet damit auf einen Start in der wegen schlechter Wetterprog­nosen ohnehin fraglichen Spezialabf­ahrt am Samstag. Sein Fokus gilt dem heutigen Super-G (11.45, ORF 1).

Der Beste bei bescheiden­er Sicht am Donnerstag war der Norweger Kjetil Jansrud, Max Franz, der beste Österreich­er und 2016 Grödensieg­er, schwang als Elfter ab. Neun Monate nach einem Kreuzbandr­iss schied auch Lokalmatad­or Christof Innerhofer wieder in einer Resultatsl­iste auf.

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Der Schweizer Marco Odermatt feierte auf der Birds of Prey seinen ersten Sieg im Weltcup. Viele Experten, darunter auch Marcel Hirscher, sind sich ziemlich sicher, dass viele folgen werden.
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