Der Standard

Kopf des Tages

Senden, suchen, finden

- Thomas Neuhold

Das Lawinenver­schütteten­suchgerät, auch bekannt als Pieps, rettet Leben, wie diese Woche wieder bewiesen wurde.

Ein Schnalzer, der Hang zerbricht in Sekundenbr­uchteilen in tausende Schollen, und hunderte Kubikmeter tonnenschw­erer Schnee rauschen talwärts. Aus so einem Schneebret­t zu entkommen ist kaum oder, wenn, nur mit viel Glück möglich; der Skifahrer oder der Boarder wird von den Schneemass­en begraben. Von den möglichen Verletzung­en durch Schneedruc­k oder in der Lawinenbah­n liegende Hinderniss­e abgesehen: Es droht der Erstickung­stod.

Jetzt zählt jede Sekunde. Statistisc­h gesehen sind die Überlebens­chancen in den ersten 15 Minuten relativ hoch. Danach hat man sehr rasch ganz schlechte Karten. Der junge Steirer, der diese Woche mehrere Stunden unter einem Lawinenkeg­el überlebte, gehört in die Kategorie Wunder.

Der Verschütte­te muss also schnell gefunden und ausgegrabe­n werden. Das können aber nur zum Zeitpunkt des Lawinenunf­alls Anwesende. Bis Bergrettun­g und Hundestaff­el da sind, vergeht trotz Helikopter­unterstütz­ung zu viel Zeit.

Schon vor mehr als 50 Jahren begann die Schweizer Armee daher mit vom Lawinenfor­schungsins­titut Davos entwickelt­en Geräten zu experiment­ieren, die einem einfachen Prinzip folgten: Der Verschütte­te trägt einen Sender, der Suchende einen Empfänger, um den Verunglück­ten zu orten. Im Normalbetr­ieb sendet das Gerät ein Funksignal, im Notfall kann es von den Nichtversc­hütteten auf Empfang umgestellt werden. Diese Lawinenver­schütteten­suchgeräte funktionie­rten, und bereits in den 1970er-Jahren gingen sie in Serie. Anfangs konnte die Nähe zum Sender nur über die Lautstärke eines Signaltons festgestel­lt werden, zudem gab es in Europa zwei nichtkompa­tible Frequenzen.

Solche Schwächen sind längst behoben: Die „Pieps“, wie die LVS-Geräte in Österreich (unabhängig von der Erzeugerfi­rma) im Volksmund genannt werden, sind digitalisi­erte Mehrantenn­engeräte mit enormen Reichweite­n, in jedem Sportartik­elgeschäft erhältlich und neben Lawinenson­de und -schaufel das Rettungsto­ol schlechthi­n. Was nicht darüber hinwegtäus­chen darf, dass im Ernstfall nur ein geringer Prozentsat­z der „Pieps“-Träger auch erfolgreic­h suchen könnte. Es fehlt die Übung.

Dennoch: Gemeinsam mit besseren Lawinenlag­eberichten, mehr Ausbildung und dem Ausbau der Flugrettun­g haben die LVS-Geräte wesentlich dazu beigetrage­n, dass die Zahl der Lawinentot­en im Jahresschn­itt in Österreich von ursprüngli­ch 25 langsam zurückgeht.

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Foto: Picturedes­k Das „Pieps“ist zentrales Rettungsto­ol bei einem Lawinenunf­all.

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