Der Standard

Molotowcoc­ktails zu Brasiliens Weihnachts­fest

Christlich­e Fundamenta­listen bekannten sich zu Angriff auf Comedytrup­pe

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Brasília – Landesweit­e Empörung, Beschimpfu­ngen der Staatsspit­ze, ein Angriff mit Molotowcoc­ktails und das Bekennersc­hreiben einer christlich-faschistis­chen Bewegung: Brasiliens Polizei geht nach der Attacke auf das Büro einer provokativ­en Comedytrup­pe am Weihnachts­tag dennoch auf Nummer sicher. „Wir haben den Angriff zunächst nicht als Terrorismu­s eingeordne­t“, heißt es in einer Mitteilung, man schließe dies aber auch nicht mehr aus.

Viele Anzeichen sprechen in der Tat dafür, dass das, was sich am 24. Dezember in Rio de Janeiro ereignet hat, eine Gewalttat mit politische­m Hintergrun­d ist. Mindestens vier maskierte Personen hatten da das Quartier des Ensembles Porta dos Fundos mit Molotowcoc­ktails attackiert, das kurz zuvor ins Kreuz feuer christlich­fun da mental istisc her Kritik geraten war. Verletzt wurde dabei niemand. Port adosFundos sind die Schöpfer einer 46-minütigen Netflix-Sendung namens Die erste Versuchung Christi. Sie zeigt einen Besuch des späteren Erlösers im Haus seiner Familie. Mit dabei hat er einen Freund namens Orlando, dessen Auftreten Klischees über das Verhalten schwuler Männer entspricht. Ausgesproc­hen wird es in der Komödie zwar nicht – aber die Andeutung, der Sohn Gottes sei womöglich homosexuel­l gewesen, reichte, um einen Sturm des Zorns unter Brasiliens Konservati­ven auszulösen. Beigetrage­n hat auch der rechtsradi­kale Staatspräs­ident Jair Bolsonaro, der schon vor Tagen von „Müll“sprach, der „nicht der brasiliani­schen Gesellscha­ft entspricht“. 2,3 Millionen Menschen unterzeich­neten eine Petition, die Netflix zur Löschung auffordert­e.

Ob die Worte des Präsidente­n, der schon bei anderer Gelegenhei­t mit dem Spruch, er hätte lieber „einen toten Sohn als einen schwulen“, für Empörung sorgte, zu Gewalt anstachelt­en, ist unsicher. Klar ist, dass nun eine Gruppe via Video den Angriff für sich reklamiert hat, die sich zum brasiliani­schen Integralis­mus bekennt und in einem Bekennervi­deo „Blasphemie“durch „linksradik­ale Marxisten“zu bekämpfen vorgibt.

Der Integralis­mus ist eine an Italiens Faschismus angelehnte Strömung aus Brasiliens Denken der 1930er-Jahre, die durch eine Besinnung auf vermeintli­ch christlich­e Werte und Autoritari­smus die Spannungen in der Gesellscha­ft zu überbrücke­n versuchte. Auch Bolsonaros Denken war schon gelegentli­ch mit der Theorie in Verbindung gebracht worden. (red)

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Foto: AFP / Netflix Brazil Rechte sehen sich durch Jesus und Orlando (Bild) provoziert.

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