Der Standard

„Der Kompromiss ist der Schlüssel zu einer Koalition“

Eva Blimlinger, Mitglied des grünen Verhandlun­gsteams, über die Chancen auf eine türkis-grüne Regierung, kleine und große Kampftheme­n zwischen ÖVP und Grünen und ein vielleicht noch „wunderbare­s“Ende für 2019.

- INTERVIEW: Lisa Nimmervoll

Nach einer dreitägige­n Weihnachts­pause setzten ÖVP und Grüne am Freitag ihre Koalitions­verhandlun­gen fort. Ob sie bis Jahresende handelsein­s werden, ließen sie weiterhin offen. Die Zeichen stehen jedenfalls gut für Türkis-Grün, sagt die grüne Verhandler­in Eva Blimlinger, wenngleich ein Scheitern immer möglich sei. Sie verhandelt­e Wissenscha­ft, Forschung, Kunst, Kultur, Sport und öffentlich­en Dienst.

STANDARD: Verhandlun­gsstand Freitagnac­hmittag: Wann wird die türkis-grüne Einigung stehen? Blimlinger: Das kann ich nicht sagen. Wir sind schon in der Endrunde, aber es gibt immer noch ein paar offene Punkte.

STANDARD: Welche vorläufige Bilanz ziehen Sie über die Koalitions­verhandlun­gen mit der ÖVP? Blimlinger: Die Bereiche, die ich mitverhand­elt habe, waren von großem inhaltlich­em Interesse getragen. Da war sehr klar, es gibt unterschie­dliche Positionen bei der ÖVP und bei uns, und man einigt sich entweder auf Akzeptanz der einen oder anderen Position, oder man findet einen Kompromiss, mit dem beide leben können. Der Kompromiss ist der Schlüssel zu einer Koalition. Anders

würde es nicht gehen. Daran haben wir sehr intensiv gearbeitet.

STANDARD: Was hat Sie bei den Gesprächen mit der Volksparte­i am meisten überrascht?

Blimlinger: Mich hat nicht wirklich etwas überrascht. Interessan­t fand ich, dass es auf beiden Seiten immer wieder Situatione­n gab, wo innerhalb der jeweiligen Partei Standpunkt­e wieder differenzi­ert wurden, indem man intern diskutiert hat, ob man eine bestimmte Position denn auch wirklich so haben will wie ursprüngli­ch gefordert oder ob man sie – mit dem Input der anderen Verhandlun­gsseite – nicht auch anders sehen kann.

Standard: Inwiefern war es überrasche­nd, dass die ÖVP, die vor sieben Monaten noch mit der FPÖ – jener Partei, die von den Grünen wohl am weitesten entfernt ist – regiert hat, jetzt mit den Grünen eine Regierung verhandelt? Kann sich eine Partei so schnell verändern, dass sie Grünen-kompatibel ist?

Blimlinger: Grünen-kompatibel ist nicht die Frage, denke ich. Die Bereiche, die ich verhandelt habe, sind wahrschein­lich nicht die großen Kampftheme­n. Bei Kunst und Kultur, aber auch Unifinanzi­e

Eva Blimlinger verhandelt­e für die Grünen mit der Volksparte­i. rung oder Ausbau der Grundlagen­forschung gibt es viele Bereiche, wo wir ähnliche Standpunkt­e haben oder ähnliche Vorgangswe­isen als notwendig erachten. Aber es gibt natürlich Bereiche, die wesentlich komplizier­ter sind, wie Klima, Migration oder soziale Sicherheit. Da waren die Gegensätze wesentlich größer.

Standard: Die Grünen müssen ein Koalitions­übereinkom­men vom Bundeskong­ress absegnen lassen. Gibt es die Angst, dass es dort heißen könnte, die Grünen müssten sich zu sehr verbiegen, nur um mit der ÖVP regieren zu können? Blimlinger: Das glaube ich ehrlicherw­eise nicht. Es geht schon darum zu erklären, was wir mit der ÖVP vorhaben, aber das machen wir ohnehin immer, und ich glaube, wir haben in den letzten Monaten gezeigt, wozu die Grünen in der Lage sind – von null auf Regierungs­verhandlun­g. Ich glaube, dass es da eine große Unterstütz­ung geben wird.

Standard: Das heißt, die Grünen wollen Türkis-Grün jetzt ins Ziel bringen, und Scheitern ist zum heutigen Zeitpunkt ausgeschlo­ssen? Blimlinger: Auszuschli­eßen ist nie etwas. Scheitern kann man immer, aber momentan schaut es gut aus und nicht so, dass es scheitert.

STANDARD: Wenn Sie ein halbes Jahr zurückdenk­en, hätten Sie da gedacht, dass die Grünen zu Jahresende mit einem Fuß in einer Regierung stehen würden? Blimlinger: Nein, das hätte niemand gedacht. Was wir gedacht haben, war, dass wir relativ sicher wieder ins Parlament kommen. Insgesamt ist das jetzt auch für Österreich eine Situation, in denen man sieht, wie schnell eine Veränderun­g möglich ist, wie sich innerhalb eines Jahres alles drehen kann. Vielleicht können wir das Jahr ja tatsächlic­h noch mit einer neuen Koalition – Regierung wird sich wegen des Bundeskong­resses nicht mehr ausgehen – beenden. Das wäre ein wunderbare­s 2019.

EVA BLIMLINGER

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