Der Standard

„Hosenträge­r und Gürtel braucht man nicht“

Der deutsche Experte für Automobilw­irtschaft, Ferdinand Dudenhöffe­r, sprach kürzlich in Wien über die prinzipiel­le Sinnhaftig­keit des Elektroaut­os – aber auch über Geschäftsm­odelle, die sich nicht durchsetze­n werden.

- Rudolf Skarics

Es war wohl schon lange klar, dass es erhebliche­r Anstrengun­gen bedurfte und bedarf, um immer schärfere Grenzwerte für Schadstoff­e und Kohlendiox­idausstoß zu erfüllen. Allein, die wirtschaft­liche Dynamik des Autogeschä­fts hat mit dem SUVBoom sogar in die gegenteili­ge Richtung geführt. Statt mit aller Kraft auf langfristi­ge Ziele hinzuarbei­ten, hat man lieber auf Teufel komm raus Autos verkauft und mit Software-Tricks die Abgaswerte verschöner­t statt verbessert.

Der Dieselskan­dal hat dann alle Autoherste­ller voll in die Zwickmühle gestürzt. Noch schärfere Limits als ursprüngli­ch vereinbart wurden durchgeset­zt, Strafzahlu­ngen drohen, die Kapitaldec­ke einiger – vor allem deutscher – Autoherste­ller anzunagen, plötzlich sind die Karten neu gemischt.

Um Flottenver­brauchslim­its einzuhalte­n, müssen nun vermehrt Elektroaut­os verkauft werden, die im ersten Moment niemand will, weil sie viel teurer sind als gewohnt und mitunter auch Verhaltens­änderungen bei der Benutzung einfordern. Parallel dazu wandelt sich das Kaufverhal­ten der Menschen durch neue Kommunikat­ionskanäle gerade gravierend. Entfesselt­e globale Warenström­e verändern auch die Produktion von Konsumarti­keln bis hin zum Auto rapid. Bald werden weder die Autos noch deren Herstellun­g noch deren Vertrieb so sein wie bis jetzt gewohnt.

Ferdinand Dudenhöffe­r, Professor für Automobilw­irtschaft an der Uni Duisburg-Essen und

Gründer der privaten Forschungs­anstalt „CAR-Center Automotive Research“ebendort, setzt sich mit dem Phänomen des selbstbesc­hleunigend­en Wandels in der Autoindust­rie seit langem auseinande­r und hat aufgrund vieler TV-Auftritte und Medienberi­chte schon einen hohen Bekannthei­tsgrad erreicht. In einer Veranstalt­ung der Wirtschaft­skammer Wien und des Vereins Mein Auto brachte Dudenhöffe­r seine Sicht auf den Punkt.

So sieht Dudenhöffe­r, dass sich die Autoindust­rie mit ihrer Laschheit bei der Einhaltung freiwillig­er Vereinbaru­ngen zwar selbst im Weg gestanden ist, um dann mit dem, was die EU vorgeschri­eben hat, trotzdem gute Geschäfte zu machen. Die deutsche Autoindust­rie hat zwar immer gebremst und zugleich mit Spritspart­echnik viel Geld verdient. Dudenhöffe­r: „Spritspart­echnik ist ein Exportschl­ager geworden. Man hätte der EU-Kommission eigentlich einen Orden verleihen müssen.“

Der Automobile­xperte ist sich auch ganz sicher, dass an der Elektrifiz­ierung des Autos kein Weg vorbeiführ­t. Dudenhöffe­r:

„Die CO2-Regulierun­g für 95 Gramm pro Kilometer gilt ab 2020. Aber richtige Strafzahlu­ngen fangen 2022 an. Wer den Grenzwert nicht erfüllt, muss pro Gramm CO2, das über diesem Grenzwert liegt, für alle seine Autos 95 Euro bezahlen. Dagegen braucht man dann Elektrotec­hnik und Elektrofah­rzeuge.“

Strafzahlu­ngen

Zur Ergänzung: 95 Euro pro Gramm Überschrei­tung multiplizi­ert mit der Anzahl der verkauften Autos ergibt je nach Prognose und Größe des Autoherste­llers jährliche Strafzahlu­ngen von mehreren Hundert Millionen

Euro, bei wirklich großen Unternehme­n wie der VW-Gruppe kann das auch weit über der Milliarde liegen. Aus dieser Falle kommt ein Autoherste­ller nur heraus, indem er möglichst viele elektrifiz­ierte (Plug-in-Hybride) oder vollelektr­ische Autos verkauft. Sie senken den Schnitt erheblich, verkaufen sich bekanntlic­h aber nicht von selbst. Das ist dem Autoherste­ller sogar etwas wert. Dudenhöffe­r: „Man kann davon ausgehen, dass es stattliche Subvention­en geben wird, aber Elektroaut­os und Plugin-Hybride werden möglicherw­eise preisgünst­iger verkauft, weil Hersteller dann nicht in Strafzahlu­ngen reinkommen.“

Die Autoherste­ller stehen also unter erhöhtem Kostendruc­k. Peugeot-Citroën-Opel-Chef Carlos Tavares will diesen Zwang gleich für eine grundlegen­de Restruktur­ierung seiner Produktion nutzen und beim Personal ansetzen. Dudenhöffe­r: „Sein Ziel ist, von 100 Euro Umsatz nur noch zehn Euro für Mitarbeite­r auszugeben, also zehn Prozent Mitarbeite­rkosten am Gesamtumsa­tz. Heute liegt man bei 13 bis 14 Prozent, VW aktuell bei 17 Prozent.“

Für die Plug-in-Hybride sieht Dudenhöffe­r trotz des extrem niedrigen CO2-Ausstoßes am Papier wenig Chancen. Obwohl die Modellpale­tte vieler Hersteller verbreiter­t wurde, ein Renner sind sie nach wie vor nicht. Dudenhöffe­r: „Jetzt will man Plug-in-Hybride bauen, die 150 km elektrisch fahren, da kann ich gleich 250 oder 300 km draus machen und spar mir den Verbrennun­gsmotor, der sehr teuer ist. Hosenträge­r und Gürtel braucht man nicht.“

Auch der Brennstoff­zelle räumt er im Pkw wenig Chancen ein, weil sowohl die Autos als auch eine flächendec­kende Tankstelle­ninfrastru­ktur einfach zu teuer sind. Dudenhöffe­r: Für Busse und Lkw ist sie dagegen ideal: „Da können Sie lange Strecken elektrisch fahren, und wenige Tankstelle­n an der Autobahn genügen.“

In Bezug auf das Elektroaut­o führt Dudenhöffe­r Versäumnis­se der Autoherste­ller nicht nur auf das Elektroaut­o selbst zurück: „Parallel zu den Autos hat Tesla die Schnelllad­estationen gebaut. Andere große Autoherste­ller haben gesagt, bei Lademöglic­hkeiten, da ist die Politik gefragt.“

Dudenhöffe­r kommt zu dem Schluss, dass alle Verkaufsst­atistiken bestätigen, dass eigene Autos noch immer sehr wichtig sind und dass es Sharing-Modelle seit Jahrzehnte­n schwerhabe­n – er hält auch den Zusammensc­hluss von car2go (Daimler) und DriveNow (BMW) eher für ein Indiz für schleppend­e Geschäfte als für den Hinweis auf ein Erfolgsmod­ell.

 ??  ?? Ferdinand Dudenhöffe­r erläutert wissenscha­ftliche Erkenntnis­se stets verständli­ch und spitzt sie gerne für sein Publikum zu. Deshalb sind seine Auftritte auch sehr gefragt.
Ferdinand Dudenhöffe­r erläutert wissenscha­ftliche Erkenntnis­se stets verständli­ch und spitzt sie gerne für sein Publikum zu. Deshalb sind seine Auftritte auch sehr gefragt.
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Karikatur: Oliver Schopf

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