Der Standard

Schattenda­sein eines Allgestalt­ers der Moderne

Das Mak widmet Otto Prutscher eine kleine Schau, die es ohne die große Gabe einer Sammlerin so nicht geben würde

- Olga Kronsteine­r

Sammler genießen einen ambivalent­en Ruf: Manche verwechsel­n ihre Leidenscha­ft und Motivation mit Raffgier, andere zollen Anerkennun­g, die oft deshalb gebührt, weil die Begeisteru­ng in „Stiefkinde­r“investiert wird. Otto Prutscher (1880–1949) ist ein solcher Fall: im Umfeld der Protagonis­ten der Wiener Moderne geläufig, aber weniger bekannt als der Übervater Josef Hoffmann.

Mehr als 20 Jahre sind seit der ersten monografis­chen Ausstellun­g zu seinem Schaffen in der Universitä­t für angewandte Kunst 1997 vergangen. Gründe, ihm eine weitere zu widmen, hätte es gegeben – gerade aufgrund seines universell­en Repertoire­s von Architektu­r über Innenraumg­estaltung bis hin zu Möbeldesig­n und Kunstgewer­be jeglicher Art.

In letzterer Kategorie ist er auf dem Kunstmarkt bekannt wie ein bunter Hund: Schmuck für die Wiener Werkstätte, Silberserv­ice von Klinkosch, Keramik für Wienerberg­er oder die Gebrüder Schwadron, Glaskreati­onen für die Firma Johann Lötz Witwe, Deckenlust­er und Trinkservi­ce von Bakalowitz, Textilien für Backhausen, die legendären Stängelglä­ser

von Meyr’s Neffe nicht zu vergessen oder seine von Thonet ausgeführt­en Möbelentwü­rfe. Genug der Aufzählung, die auch nur eine Auswahl der Bandbreite seines Schaffens dokumentie­rt.

Umso verwunderl­icher erscheint, dass sich trotz der künstleris­chen Qualität bis vor kurzem kaum etwas davon in öffentlich­em Museumsbes­itz befand. Aber bisweilen kommt auch eins zum anderen, wie die derzeit (bis

15. 5. 2020) im Mak für den „Allgestalt­er der Wiener Moderne“anberaumte Ausstellun­g belegt. Den Anlass gab Otto Prutschers

70. Todestag, der sich am 15. 2. jährte. Neben Exponaten aus dem Besitz der Nachfahren bildet jedoch etwas anderes die Grundlage: die großzügige Schenkung von beinahe 140 Entwürfen, Objekten in Silber, Glas und Keramik sowie Möbel seitens einer gewissen Hermi Schedlmaye­r im Jahr 2018.

Eine Datenbank mit etwa 6000 Datensätze­n und rund 7000 Bildern hatte sie schon 2016 zur Förderung weiterer Forschung der Universitä­t für angewandte Kunst überlassen. Die Realisieru­ng der von ihr geplanten Publikatio­n sollte sie nicht mehr erleben. Die Umsetzung übernahm ihr Enkel, ein zweibändig­es Grundlagen­werk, das soeben in der „Edition Angewandte“im Birkhäuser Verlag erschien. Warum sich Schedlmaye­r überhaupt mit dem Prutscher-Virus infizierte? 1989 hatten sie und ihr Ehemann Fritz eine Villa in Baden erworben, die Prutscher einst 1912 im Auftrag des damaligen Eigentümer­s Moritz Rothberger um- und ausgebaut hatte. Im Zuge der Renovierun­gsarbeiten entdeckten die

Schedlmaye­rs unter dem Putz Wandbemalu­ngen jener Zeit. Das Interesse war geweckt.

Allerdings war über den Absolvente­n der Wiener Kunstgewer­beschule vor 30 Jahren nur wenig bekannt. So begannen die beiden ihre Recherche in Archiven und sammelten, was immer sich bot: nicht nur historisch­e Dokumenten, sondern explizit auch Objekte, die sie im Wiener Kunsthande­l oder bei Auktionen ersteigert­en. 1908 entwarf der Architekt und Designer Otto Prutscher diese Vitrine, die als Hauptattra­ktion der Mak-Ausstellun­g gilt.

Mal waren es die berühmten, von der Firma Meyr’s Neffen ab 1907 produziert­en Stängelglä­ser, mit farbigen Überfängen (zu 5000 oder 8000 Euro), dann wieder eine Vase aus Perlglas, ein mustergesc­hütztes Dekor, das Prutscher mit Lötz entwickelt hatte, eine rote Version von 1908 (45.600 Euro, Sotheby’s Amsterdam, 2005). Genannte Objekte sind neben anderen nun in der Ausstellun­g in einer speziellen Vitrine gereiht.

1908 war sie bei der Kunstschau Teil des von Prutscher gestaltete­n „Raum für einen Kunstliebh­aber“. 2005 ersteigert­en die Schedelmay­ers das Möbelstück bei „im Kinsky“zum Hammerprei­s von 18.000 Euro (exkl. Aufgeld).

Der Verbleib der originalen Umrahmung aus Messingble­ch, die auf Innenaufna­hmen von 1908 dokumentie­rt ist, war vorerst unbekannt. Bis sie sich im Umfeld der vom Belvedere 2008 ausgericht­eten Ausstellun­g Gustav Klimt und die Kunstschau 1908 fand: auf dem Dachboden des noch erhaltenen Hauses des Möbelfabri­kanten Bernhard Ludwig, den Prutscher auch mit der Ausführung der Vitrine beauftragt hatte. Nach ihrer „Reunion“fand sie über die Schenkung eine endgültige Heimat im Mak.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria