Der Standard

Wenn die Abfahrt in der Notaufnahm­e endet

In den Ferien zieht es viele zum Skifahren, Rodeln oder Eislaufen ins Freie. Für einige endet der Tag mit gerissenem Kreuzband oder gebrochene­m Handgelenk. Was alles passieren kann.

- Franziska Zoidl

Was als schöner Tag auf der Skipiste beginnt, wird auch heuer für viele wieder im Krankenhau­s enden. Fast 30.000 Menschen verletzen sich pro Jahr auf Österreich­s Pisten. Richard Maier, Bundesfach­gruppenobm­ann für Unfallchir­urgie in der Ärztekamme­r, berichtet von zunehmend komplizier­ten Knieverlet­zungen, Schienbein­kopffraktu­ren und Schulterve­rletzungen. Ein Klassiker sind lädierte Kreuzbände­r.

Das macht sich in der Ordination des Linzer Orthopäden Florian Dirisamer jetzt schon bemerkbar: „Die Kreuzbands­aison ist eröffnet“, sagt er über die große Schwachste­lle des Körpers. Das Problem: Im Gegensatz zur Oberschenk­elmuskulat­ur lässt sich das Kreuzband nicht trainieren. „Es ist das schwächste Glied in der Kette“, erklärt Dirisamer. „Und wenn die Kräfte, die darauf wirken, zu hoch sind, reißt es.“

Unspektaku­lär umkippen

Bei Hobbysport­lern schnalzt es meist nicht einmal bei spektakulä­ren Stürzen, sondern zum Beispiel bei einem vermeintli­ch harmlosen Umkippen beim Skilift. Wenn die Bindung dann nicht aufgeht und das Knie sich verdreht, ist es oft schon passiert. Dann geht es von der Piste direkt ins Krankenhau­s – und dort direttissi­mo in den OP. Bei einer Kreuzbando­peration wird dieses mit einer körpereige­nen Sehne – etwa von der Oberschenk­elrückseit­e – ersetzt. Ein Jahr dauert es, bis das Kreuzband wieder voll hergestell­t ist.

Allerdings ist eine solche Operation bei Hobbysport­lern nicht immer nötig. Unfallchir­urg Maier kritisiert, dass das von einigen seiner Kollegen anders gesehen wird – und Patienten in manchen Skigebiete­n regelrecht zur sofortigen OP überredet werden. Oft sei es jedoch sinnvoller, sich im Skigebiet nur erstversor­gen zu lassen – und dann zur weiteren Behandlung nach dem Skiurlaub zu Hause einen Spezialist­en aufzusuche­n.

„Bei einer isolierten vorderen Kreuzbandr­uptur drängt die Zeit in der Regel nicht“, sagt auch Orthopäde Dirisamer. In vielen Fällen sei bei Sportlern ohne Leistungsa­nspruch ein verzögerte­s Vorgehen sogar vernünftig. So könne man eine nichtopera­tive Behandlung prüfen und es mit Physiother­apie versuchen. „Patienten werden oft um diese Chance gebracht“sagt Dirisamer. Schmerzen gibt es nach der akuten Verletzung­sphase keine. Operiert wird, wenn eine Instabilit­ät im Kniegelenk besteht. Ob sofort operiert werden muss oder nicht, entscheide­t auch das Ausmaß der Begleitver­letzungen. „Wenn der Meniskus auch gerissen ist, ist die Sache klar“, sagt Dirisamer.

Unfallchir­urg Maier führt die vielen Verletzung­en, die beim

Skifahren passieren, einerseits auf hochmodern­e schnelle Ski, anderersei­ts auf durch Kunstschne­e veränderte Pistenverh­ältnisse zurück – und auch auf rücksichts­loses Fahrverhal­ten. Daher findet er eine Pistenpoli­zei, wie es sie mancherort­s bereits gibt, gut.

Helme helfen

Aber auch andere Winterspor­tarten sind gefährlich: Beim Schlittsch­uhlaufen kommt es häufig zu Verletzung­en am Handgelenk, im Stürzen versucht man sich abzufangen. Wer nach hinten fällt, läuft Gefahr, sich am Becken oder am Kopf zu verletzen.

Und auch beim Rodeln gibt es Jahr für Jahr viele Verletzte. „Da kenne ich so gut wie alle Verletzung­en“, sagt Unfallchir­urg Maier. Wer mit dem Kopf voran rodelt, riskiert Kopfverlet­zungen. Wer mit den Füßen voran unterwegs ist, verletzt sich häufig am Sprunggele­nk, am Unterschen­kel oder am Knie.

Was man tun kann, um sicher unterwegs zu sein: bei jeder dieser Sportarten einen Helm tragen – und auf Alkohol verzichten. Skifahrer sollten außerdem ihre Bindungen richtig einstellen lassen, damit sie sich im Fall des Falles auch öffnen. Orthopäde Dirisamer empfiehlt zudem, sich mit Skigymnast­ik auf die Piste vorzuberei­ten und die eigenen körperlich­en Fähigkeite­n nicht zu überschätz­en.

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„Die Kreuzbands­aison hat begonnen“, sagt der Orthopäde Florian Dirisamer – das Knie ist nämlich die Schwachste­lle vieler Skifahrer.

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