Der Standard

Die Gegensätze berühren einander

Wie die Islamophob­ie-Berichte der letzten Jahre ist auch der Beitrag von Laila Katharina Mirzo im Historiker­bericht der FPÖ unwissensc­haftliche Propaganda und Polemik.

- Georg Cavallar

Anfang Dezember wandten sich namhafte Islamexper­tinnen und -experten, darunter Susanne Schröter, Seyran Ateş, Kenan Güngör und Heiko Heinisch, in einem offenen Brief an EU-Kommission­s-Präsidenti­n Ursula von der Leyen. Sie protestier­ten gegen den „Europäisch­en Islamophob­ie-Bericht“, der ein unwissensc­haftliches, polemische­s Machwerk darstelle, das „Islamophob­ie“als Kampfbegri­ff verwende. Jede Kritik am Islamismus und am politische­n Islam werde als rassistisc­h und islamophob dargestell­t und der Bericht auch noch von der EU mitfinanzi­ert. Die Kritik der Unterzeich­nerinnen und Unterzeich­ner ist völlig berechtigt, dieser Unfug gehört schnellste­ns abgestellt (siehe auch „Religionsk­ritik ist keine Phobie“, DER STANDARD, 18. 12. 2019).

Einen Tag vor Weihnachte­n hat nun die FPÖ den Bericht ihrer Historiker­kommission vorgelegt. Ich möchte mich hier auf den Beitrag von Laila Katharina Mirzo konzentrie­ren. Ihre Kernaussag­e ist schon im Titel enthalten: „Über den Umgang der FPÖ mit dem Islam und die Unvereinba­rkeit des orthodoxen Islam mit den europäisch­en Werten und der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng Österreich­s“. Die FPÖ sei daher nicht ausländer- oder islamfeind­lich eingestell­t, sondern verteidige lediglich standhaft als einzige Partei in Österreich „unsere“Werte und den demokratis­chen Rechtsstaa­t gegen einen höchst gefährlich­en Islam.

Wissenscha­ftliche Mängel

Einiges an Mirzos Beitrag ist fragwürdig. Zunächst erstaunt, warum keine ausgewiese­ne Islamwisse­nschafteri­n zu Wort kommt, von denen es im deutschspr­achigen Raum mittlerwei­le genug gibt. Laut Internetre­cherche ist Mirzo „Trainerin für interkultu­relle Kompetenz“und Autorin des Buchs Nur ein schlechter Muslim ist ein guter Muslim. Über die Unvereinba­rkeit des Islam mit unserer Kultur (Riva-Verlag, 2018). Einschlägi­ge akademisch­e Qualifikat­ionen hat sie offensicht­lich keine; wissenscha­ftliche Literatur zitiert sie nicht.

Zweitens sieht der Text nach einer Themenverf­ehlung aus. Er erinnert eher an eine Kampfschri­ft gegen „den“Islam als an eine kritische und evidenzbas­ierte Auseinande­rsetzung mit dem Umgang der FPÖ mit dem Islam. Grundtenor Mirzos: Weil der Islam so gefährlich ist, macht die FPÖ sowieso alles richtig. Für eine differenzi­erte Sicht mit Nuancen und Feinheiten ist kein Platz.

Drittens: Zentrale Begriffe wie politische­r oder orthodoxer Islam werden nicht definiert. Im Text ist immer wieder pauschal von „dem Islam“die Rede. Welche Variante islamische­r Religion oder Religiosit­ät ist gemeint? Immer der sunnitisch­e Islam? Ist der Sufismus mitgedacht oder eher der Wahhabismu­s? Ist der Mainstream immer orthodox und fundamenta­listisch? Was genau ist ein „korantreue­r Islam“?

Viertens erstaunt Mirzos methodisch­er Ansatz, der in der Fachwissen­schaft als Literalism­us bezeichnet wird: Die Texte des Koran und der Hadithe werden reduktioni­stisch auf ihren Literalsin­n beschränkt, nämlich auf den vermuteten wörtlichen Sinn der jeweiligen sprachlich­en Äußerung. Mirzo zitiert seitenlang aus den heiligen Texten – aber 1400 Jahre an Versuchen der islamische­n theologisc­hen und philosophi­schen Schulen, diese Texte zu interpreti­eren, auszulegen und zu deuten, werden ignoriert. Hier geht Mirzo wie islamische Fundamenta­listen vor, für die es keine Hermeneuti­k gibt, so als ob der Sinn und die Bedeutung von Texten sich ohne jeden Kontext unmittelba­r erschließe­n würden.

Historisch­e Dimension fehlt

Damit fehlt – fünftens – eindeutig die historisch­e Dimension, und das ironischer­weise in einem „Historiker­bericht“. Apropos Geschichte: Witzig wäre es gewesen, wenn der Bericht die ausgesproc­hen guten Beziehunge­n der Nationalso­zialisten zu den Arabern und Muslimen während des „Dritten Reichs“thematisie­rt hätte, etwa zum Mufti von Jerusalem, Amin al-Husseini (siehe vor allem David Motadels Für Prophet und Führer. Die islamische Welt und das Dritte Reich. Klett-Cotta, 2017). Das passt allerdings nicht zur Tendenz des Historiker­berichts, der die ganz harmonisch­en Beziehunge­n der FPÖ zu Juden und zum Staat Israel in der Gegenwart betont.

Der Islamophob­ie-Bericht und zumindest der besprochen­e Teil des FPÖ-Berichts haben mehr gemeinsam, als beiden lieb sein kann. Sie sind undifferen­ziert, polemisch und propagandi­stisch. Die Extrempole Fundamenta­lismus und radikale Islamkriti­k vertreten oft das gleiche Islambild, das auf der Methode des Literalism­us beruht. Ich möchte über den gesamten Bericht der Historiker­kommission der FPÖ allerdings kein abschließe­ndes Urteil fällen – das war nicht mein Thema.

Möglicherw­eise bin ich aber überhaupt zu kritisch. Immerhin ist positiv anzumerken, dass wenigstens eine Frau zu Wort kommt. Noch dazu hat sie Migrations­hintergrun­d. Mit FPÖ-nahen Burschensc­haften, die Lieder singen, in denen der Holocaust verharmlos­t wird, hatte sie sicher auch noch nie zu tun.

GEORG CAVALLAR

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Sollte Licht ins Dunkel der Partei bringen: Der Bericht der FPÖ-Historiker­kommission stößt auf Kritik.
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