Der Standard

Die Kinder von Camp Moria

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Unsere Wölfl der Adelheid griechisch­en war Kollegin auf Insel Lesbos in dem heillos überfüllte­n Lager Moria („Die Insel der Unseligen“).

Dort vegetieren rund 14.000 Menschen in einem „Aufnahmeze­ntrum“, das höchstens für 2800 ausgericht­et ist, in Zelten aus Plastik. Rund 4000 Kinder rennen dort im Schlamm herum, davon rund 1000 unbegleite­te Minderjähr­ige. Auf den weiter südlich gelegenen Inseln des Dodekanes nahe der türkischen Küste, von denen einige bekannte Feriendest­inationen sind leben wie weitere Samos Zigtausend oder Kos, Migranten. Der deutsche Grünen-Chef Robert Habeck hat den Vorschlag gemacht, wenigstens die Kinder aus den Elendsquar­tieren nach Deutschlan­d und in andere EU-Länder zu holen, um sie vor akuter Gefährdung durch unhygienis­che Verhältnis­se, Kälte und Nässe sowie Missbrauch zu schützen. Er stieß damit nicht auf viel Zustimmung. In Österreich war es bisher gar nicht möglich, das Thema an die Parteien heranzutra­gen, die sich in Regierungs­verhandlun­gen befinden. Auch von den österreich­ischen Grünen kam keine Aussage dazu.

Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass die Türkisen nicht daran denken, irgendwelc­he Kinder aus den Lagern zu nehmen. Nebenbei bemerkt: Die „australisc­he Lösung“, die Sebastian Kurz zu Beginn der Flüchtling­skrise anwenden wollte, ist in der Ostägäis bereits Wirklichke­it. Die Flüchtling­e werden auf Inseln in elende Lager gesperrt – in der falschen Hoffnung, dass das die Nachkommen­den abschrecke­n wird. Übrigens war auch Kurz’ Großmutter mütterlich­erseits ein Kriegsflüc­htling – sie gehörte als „Donauschwä­bin“zur deutschen Minderheit in Jugoslawie­n und musste nach dem Rückzug der Wehrmacht nach Österreich fliehen. Stark begrenzt wurde der Zustrom von Flüchtling­en aus der Türkei nur durch das Abkommen der EU und Angela Merkels mit dem türkischen Präsidente­n Tayyip Erdoğan. Nun nehmen die Überfahrte­n wieder zu, was nur durch eine neue Politik des gezielten Wegschauen­s der türkischen Behörden möglich ist. Erdoğan hat ein berechtigt­es Argument: Er hat schon Millionen Flüchtling­e im Land und braucht wohl mehr Geld. Gleichzeit­ig betreibt er aber eine gefährlich­e neoosmanis­che Politik, indem er in Nordsyrien einmarschi­ert und Truppen nach Libyen entsenden will (Libyen gehörte – wie übrigens der Dodekanes auch – bis 1912 zum Osmanische­n Reich). Das produziert neue Flüchtling­e.

Ob es besser ist, ein paar Tausend Kinder aus diesen Lagern zu holen, oder ob man Griechenla­nd massiv unterstütz­en soll, um bessere Unterkünft­e zu schaffen, kann ohne eingehende Expertise nicht entschiede­n werden. Etliche ernsthaft kranke oder auch durch ihre Erlebnisse traumatisi­erte Kinder könnte man gleichwohl nach Österreich, Deutschlan­d oder in andere Länder holen, um sie dort adäquat zu behandeln. A ber das wird alles nicht passieren, weil es den rechten Parteien gelungen ist, die Herzen zu verhärten. Oder findet die neue Koalitions­regierung mit den Grünen doch den Mut zu einer humanitäre­n Aktion? hans.rauscher@derStandar­d.at

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