Unmut an grüner Basis über „Hudelei“vor Abstimmung
Regierungspakt wird zwei Tage vor Bundeskongress vorgelegt
Wien – Grüne Funktionäre kritisieren das kurze Zeitfenster zwischen der geplanten Präsentation des türkis-grünen Regierungsprogramms und der Abstimmung darüber am grünen Bundeskongress. Offenbar verhandeln ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler noch bis 1. 1. am Regierungspakt. Der soll erst am Donnerstag vorgestellt werden, ab Samstag tagt dann der grüne Bundeskongress. Es sei „schwierig, da eine gute Entscheidung zu treffen“, sagt der Tiroler Landtagsabgeordnete
Michael Mingler. Für den Innsbrucker Gemeinderat Dejan Lukovic ist es sogar „schlicht unmöglich“. Die Kritiker verweisen darauf, dass Generalsekretär Thimo Fiesel zu Beginn der Regierungsverhandlungen meinte, „hudeln würde den aktuellen politischen Fragestellungen nicht gerecht werden“. Um die Kritik abzufedern, wird es etwa in Wien Vorbesprechungen mit Delegierten geben, um Fragen zu klären. Allerdings wird auch unter Skeptikern davon ausgegangen, dass der Bundeskongress deutlich für Türkis-Grün stimmen wird. Inhalte des Regierungsprogramms sind bislang nur wenige bekannt – etwa dass es „eine Form von CO2Steuer“geben soll. Dafür wurden mit Susanne Raab im Integrationsressort und Leonore Gewessler für Umwelt die ersten Ministerinnenvorschläge bestätigt. Sigi Maurer wird den grünen Klub anführen. Dort will man „kritisch bleiben“, sagt die Abgeordnete Ewa ErnstDziedzic.
Allzu feuchtfröhlich werden ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und GrünenChef Werner Kogler ihren Silvesterabend wohl nicht verbringen. Es sei denn, sie wollen verkatert das große Finale des türkis-grünen Verhandlungsreigens bestreiten. Denn am Montag zeichnete sich ab, dass auch am 1. 1. noch an Details der türkisgrünen Regierung gefeilt werden wird. Das betrifft sowohl Details der Ressortaufteilung als auch inhaltliche Punkte des Regierungsübereinkommens.
Offen ist etwa, wo die Grünen ihren Staatssekretär ansiedeln. Es sei keineswegs fix, dass der im Finanzministerium sitzen wird; möglich ist auch, dass ihn Werner Kogler zu sich ins Vizekanzleramt holt. Kogler ist dort für den Sport, vor allem aber auch für die Beamten zuständig, was ihm automatisch einen Einblick in die Finanzgebahrung der Republik verschafft.
Medien kommen zur ÖVP
Frauen, Medien und Europaagenden kommen zur ÖVP, in welchem Ressort die Belange angesiedelt werden, ist aber noch offen. Die ÖVP wird zehn oder elf Ressorts besetzen, ob sie auch einen Staatssekretär nimmt, war am Montag noch nicht entscheiden.
Die Grünen haben jedenfalls vier Ressorts und das Vizekanzleramt, damit sind sie hochzufrieden. Auch weil das Umweltressort in Wahrheit gleich mehrere Ressorts umfassen soll, darin enthalten sind auch Infrastruktur, Verkehr, Energie sowie die finanzstarken Agenden Forschung und Innovation.
Von diesem Megaressort hatte die ÖVP den Grünen dringend abgeraten, aber letztlich ihren Segen gegeben. Die Grünen hatten ursprünglich versucht, das Finanzministerium für sich zu beanspruchen, Kogler selbst hätte den Minister gemacht. Der Preis für diese Zuständigkeit wäre aber zu hoch gewesen, letztlich war das große Umweltressort wichtiger.
Am Mittwochabend sollen die letzten Beistriche im Regierungsübereinkommen abgestimmt werden, Donnerstag wird das gesamte Programm der Öffentlichkeit vorgestellt – wenn es denn fertig ist.
Inhaltlich ist nur sehr wenig nach außen gelangt. Nur so viel: Grüne Umweltexperten halten die erreichten Kompromisse für durchaus akzeptabel. Leonore Gewessler, deren Nominierung als Umweltministerin am Montag von den Grünen bestätigt wurde, kann auf erhebliche Ressourcen zurückgreifen, um die grüne Klimawende durchzusetzen.
„Eine Art CO2-Steuer“
Fraglich ist noch, wie das gegenfinanziert wird. Hier war nur zu hören, dass es „eine Art von CO2-Steuer“geben werde. Wie die genau aussehen wird, haben sich Kurz und Kogler offenbar erst nach Weihnachten ausgemacht.
Einer Vermögens- und Erbschaftssteuer hatte Kurz schon vorher medial eine Absage erteilt. Kogler zeigte sich mit der „schwarzen Null“einverstanden, also einem ausgeglichenen Budget. Allerdings nur, wenn dennoch Geld für Investitionen in den Klimaschutz übrig bleibt.
Während über die Inhalte noch Stillschweigen herrscht, wurden erste Ministernamen bestätigt. Neben Gewessler wurde auch Susanne Raab überraschend als Integrationsverantwortliche präsentiert (siehe Text Seite 3). Sigi Maurer soll hingegen kein Regierungsamt bekommen, sondern grüne Klubobfrau werden.