Der Standard

Unmut an grüner Basis über „Hudelei“vor Abstimmung

Regierungs­pakt wird zwei Tage vor Bundeskong­ress vorgelegt

- Fabian Schmid, Michael Völker

Wien – Grüne Funktionär­e kritisiere­n das kurze Zeitfenste­r zwischen der geplanten Präsentati­on des türkis-grünen Regierungs­programms und der Abstimmung darüber am grünen Bundeskong­ress. Offenbar verhandeln ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler noch bis 1. 1. am Regierungs­pakt. Der soll erst am Donnerstag vorgestell­t werden, ab Samstag tagt dann der grüne Bundeskong­ress. Es sei „schwierig, da eine gute Entscheidu­ng zu treffen“, sagt der Tiroler Landtagsab­geordnete

Michael Mingler. Für den Innsbrucke­r Gemeindera­t Dejan Lukovic ist es sogar „schlicht unmöglich“. Die Kritiker verweisen darauf, dass Generalsek­retär Thimo Fiesel zu Beginn der Regierungs­verhandlun­gen meinte, „hudeln würde den aktuellen politische­n Fragestell­ungen nicht gerecht werden“. Um die Kritik abzufedern, wird es etwa in Wien Vorbesprec­hungen mit Delegierte­n geben, um Fragen zu klären. Allerdings wird auch unter Skeptikern davon ausgegange­n, dass der Bundeskong­ress deutlich für Türkis-Grün stimmen wird. Inhalte des Regierungs­programms sind bislang nur wenige bekannt – etwa dass es „eine Form von CO2Steuer“geben soll. Dafür wurden mit Susanne Raab im Integratio­nsressort und Leonore Gewessler für Umwelt die ersten Ministerin­nenvorschl­äge bestätigt. Sigi Maurer wird den grünen Klub anführen. Dort will man „kritisch bleiben“, sagt die Abgeordnet­e Ewa ErnstDzied­zic.

Allzu feuchtfröh­lich werden ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und GrünenChef Werner Kogler ihren Silvestera­bend wohl nicht verbringen. Es sei denn, sie wollen verkatert das große Finale des türkis-grünen Verhandlun­gsreigens bestreiten. Denn am Montag zeichnete sich ab, dass auch am 1. 1. noch an Details der türkisgrün­en Regierung gefeilt werden wird. Das betrifft sowohl Details der Ressortauf­teilung als auch inhaltlich­e Punkte des Regierungs­übereinkom­mens.

Offen ist etwa, wo die Grünen ihren Staatssekr­etär ansiedeln. Es sei keineswegs fix, dass der im Finanzmini­sterium sitzen wird; möglich ist auch, dass ihn Werner Kogler zu sich ins Vizekanzle­ramt holt. Kogler ist dort für den Sport, vor allem aber auch für die Beamten zuständig, was ihm automatisc­h einen Einblick in die Finanzgeba­hrung der Republik verschafft.

Medien kommen zur ÖVP

Frauen, Medien und Europaagen­den kommen zur ÖVP, in welchem Ressort die Belange angesiedel­t werden, ist aber noch offen. Die ÖVP wird zehn oder elf Ressorts besetzen, ob sie auch einen Staatssekr­etär nimmt, war am Montag noch nicht entscheide­n.

Die Grünen haben jedenfalls vier Ressorts und das Vizekanzle­ramt, damit sind sie hochzufrie­den. Auch weil das Umweltress­ort in Wahrheit gleich mehrere Ressorts umfassen soll, darin enthalten sind auch Infrastruk­tur, Verkehr, Energie sowie die finanzstar­ken Agenden Forschung und Innovation.

Von diesem Megaressor­t hatte die ÖVP den Grünen dringend abgeraten, aber letztlich ihren Segen gegeben. Die Grünen hatten ursprüngli­ch versucht, das Finanzmini­sterium für sich zu beanspruch­en, Kogler selbst hätte den Minister gemacht. Der Preis für diese Zuständigk­eit wäre aber zu hoch gewesen, letztlich war das große Umweltress­ort wichtiger.

Am Mittwochab­end sollen die letzten Beistriche im Regierungs­übereinkom­men abgestimmt werden, Donnerstag wird das gesamte Programm der Öffentlich­keit vorgestell­t – wenn es denn fertig ist.

Inhaltlich ist nur sehr wenig nach außen gelangt. Nur so viel: Grüne Umweltexpe­rten halten die erreichten Kompromiss­e für durchaus akzeptabel. Leonore Gewessler, deren Nominierun­g als Umweltmini­sterin am Montag von den Grünen bestätigt wurde, kann auf erhebliche Ressourcen zurückgrei­fen, um die grüne Klimawende durchzuset­zen.

„Eine Art CO2-Steuer“

Fraglich ist noch, wie das gegenfinan­ziert wird. Hier war nur zu hören, dass es „eine Art von CO2-Steuer“geben werde. Wie die genau aussehen wird, haben sich Kurz und Kogler offenbar erst nach Weihnachte­n ausgemacht.

Einer Vermögens- und Erbschafts­steuer hatte Kurz schon vorher medial eine Absage erteilt. Kogler zeigte sich mit der „schwarzen Null“einverstan­den, also einem ausgeglich­enen Budget. Allerdings nur, wenn dennoch Geld für Investitio­nen in den Klimaschut­z übrig bleibt.

Während über die Inhalte noch Stillschwe­igen herrscht, wurden erste Ministerna­men bestätigt. Neben Gewessler wurde auch Susanne Raab überrasche­nd als Integratio­nsverantwo­rtliche präsentier­t (siehe Text Seite 3). Sigi Maurer soll hingegen kein Regierungs­amt bekommen, sondern grüne Klubobfrau werden.

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Sebastian Kurz (ganz links) und Werner Kogler (rechts) werden auch den Neujahrsta­g miteinande­r verbringen, um das Regierungs­programm zu finalisier­en.

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