Der Standard

Schiitisch­e Miliz im Irak droht US-Truppen mit „massiver“Vergeltung

Der US-Angriff auf die irakische Miliz Kataib Hisbollah ist mit mindestens 25 Toten massiv ausgefalle­n. Milizenche­f Abu Mahdi al-Muhandis schwor Rache. Die Entscheidu­ng über eine Reaktion wird in Teheran gefällt.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

– Die im Irak operierend­e, mit dem Iran verbündete schiitisch­e Miliz Kataib Hisbollah hat den USA „massive Angriffe“als Vergeltung für Luftangrif­fe angedroht. „Das Blut der Märtyrer wird nicht vergeblich vergossen sein“, verkündete Milizenkom­mandant Jamal Jaafar Ibrahimi, der besser unter seinem Kampfnamen Abu Mahdi al-Mohandis bekannt ist. US-Verteidigu­ngsministe­r hatte die Angriffe seiner Luftwaffe als „Selbstvert­eidigung“bezeichnet; man habe auf Attacken der Miliz reagiert, bei denen es ein US-Todesopfer sowie mehrere Verletzte gab. Die USA seien zu „zusätzlich­en Maßnahmen“bereit. Kritik an Washington kam auch aus dem Iran. (red)

Solange der „Islamische Staat“einen Teil des irakischen Territoriu­ms kontrollie­rte, herrschte eine Art Burgfriede­n zwischen den disparaten Kräften, die ihn bekämpften: Die US-Truppen waren im Sommer 2014 im Rahmen der Anti-IS-Operation „Inherent Resolve“in den Irak, aus dem sie 2011 abgezogen waren, zurückgeke­hrt. Und die Iraner hatten einen Teil der Milizen dirigiert, die für den Kampf gegen den IS als „Volksmobil­isierungse­inheiten“(PMU oder Hashd alShaab) zusammenge­fasst wurden.

Dieses seltsame Nebeneinan­der ist am Auslaufen: durch das territoria­le Ende des IS, durch den Einzug der PMU ins irakische Parlament 2018 – und durch die Verschlech­terung der US-iranischen Beziehunge­n seit dem von Präsident Donald Trump befohlenen Ausstieg aus dem Atomdeal.

Nach dem Tod eines US-Staatsbürg­ers, eines militärisc­hen Subunterne­hmers, bei einem Milizenang­riff auf einen US-Stützpunkt bei Kirkuk haben die USA am Sonntag erstmals eine Iran-treue Miliz offen und direkt angegriffe­n – und damit indirekt den Iran im Irak. Der Angriff war mit mehr als zwei Dutzend Toten so massiv, dass eine Antwort zu erwarten ist.

Die Kataib Hisbollah

Der US-Militärsch­lag galt den Kataib Hisbollah, den HisbollahB­rigaden, einer der Iran-treuen schiitisch­en Milizen, die nach der Irak-Invasion der USA 2003 entstanden sind. Der Name Hisbollah, Partei Gottes, ist nicht nur der besser bekannten libanesisc­hen Schiitenmi­liz eigen, Hisbollahs gibt es auch in anderen Ländern. Die 2007 gegründete­n Kataib Hisbollah, die damals die US-Präsenz im Irak bekämpften, haben zwar organisato­risch nichts mit der libanesisc­hen Hisbollah zu tun. Aber allein die Ästhetik ihres Auftretens – ein Logo, das dem der iranischen Revolution­sgarden und der libanesisc­hen Schwesterp­artei nachempfun­den ist, inklusive AK-47 – weist sie als ideologisc­h verwandt aus.

Der Gründer der Gruppe, Abu Mahdi al-Muhandis, mit dem bürgerlich­en Namen Jamal Jaafar Ibrahimi (66), der lange im Iran gelebt hat, bekennt seine Loyalität zum religiösen Führer Irans, Ali Khamenei, und bezeichnet sich als „stolzer Soldat“Ghassem Soleimanis. Dieser ist der Chef der Qods-Einheit, des Arms der iranischen Revolution­sgarden für Auslandsei­nsätze. Während des

Kriegs gegen den IS wurden Kämpfer der Kataib auch von der libanesisc­hen Hisbollah trainiert.

Aber die Verbindung­en von alMuhandis zu ihr sind viel älter: Er gilt als Drahtziehe­r der Attentate auf die amerikanis­che und die französisc­he Botschaft in Kuwait 1983, die nur zwei Monate nach den Großangrif­fen auf die US-Armee in Beirut stattfande­n. Muhandis ist deswegen in Kuwait zum

Tode verurteilt und steht auf der US-Terrorlist­e, seit 2009 auch seine Kataib Hisbollah.

Die USA haben die Kataib Hisbollah am Sonntag unter anderem auf beiden Seiten der irakisch-syrischen Grenze bei Al-Qaim / Albu Kamal angegriffe­n: Das zeigt, dass es sich um mehr als nur um einen Vergeltung­sschlag handelte. Die iranische Verbindung­sroute über den Irak und Syrien in den Libanon

wurde damit ins Visier genommen. Die Kataib Hisbollah ist in Syrien seit Ausbruch des Bürgerkrie­gs auf der Seite des AssadRegim­es und Irans aktiv.

Im Irak – wo die USA, anders als in Syrien, ja auf Einladung der Regierung sind – ist das der erste offene US-Angriff auf die Milizen. In den vergangene­n Wochen hatte Washington gegen einzelne Milizenfüh­rer Sanktionen verhängt: Sie wurden für das brutale Vorgehen gegen die seit Oktober laufenden antiiranis­chen Demonstrat­ionen verantwort­lich gemacht. Das betrifft vor allem die Asaib Ahl alHaq (Liga der Rechtschaf­fenen oder Khazali-Netzwerk), ebenfalls eine schon ältere Iran-treue Miliz.

Milizen-Dachverban­d

Al-Muhandis wird zwar den Kataib Hisbollah zugerechne­t, er ist aber auch der Vizechef der gesamten PMU. Der Milizen-Dachverban­d wurde gegründet, als die höchste schiitisch­e Autorität im Irak, Ayatollah Ali Sistani, angesichts des IS-Vormarsche­s im Juni 2014 die Iraker per Fatwa zur Verteidigu­ng ihres Landes aufrief. Allerdings hatte Sistani stets das Primat des Staates im Sinn – das aber auch nach Ende des Kampfes gegen den IS nicht hergestell­t werden konnte. Vergeblich bemühte sich bereits Premier Haidar alAbadi (2014–2018) um eine Integratio­n der Milizen in die irakischen Streitkräf­te.

Aber nicht alle Milizen sind schiitisch, und nicht alle schiitisch­en sind Iran-hörig. Auch innerhalb der PMU-Führung gibt es Differenze­n: PMU-Chef Faleh alFayyadh – dessen Vize Muhandis ist – pocht immer wieder vorsichtig auf die irakische Souveränit­ät. Muhandis ist aber wohl der Stärkere. Im Parlament in Bagdad werden nun die Stimmen, die einen US-Abzug fordern, noch lauter werden. Den ersten diesbezügl­ichen Vorstoß gab es im Sommer, als sich Trump verplapper­te: Die USA würden im Irak bleiben, „um den Iran zu beobachten“und von dort aus eventuell in Syrien einzugreif­en, sagte er. Kommentar S. 36

 ??  ?? Kämpfer der irakisch-schiitisch­en Miliz Kataib Hisbollah paradieren am internatio­nalen Al-Quds-Tag in Bagdad. Die Kataib und ihr Führer Abu Mahdi al-Muhandis sind der iranischen Führung loyal ergeben.
Kämpfer der irakisch-schiitisch­en Miliz Kataib Hisbollah paradieren am internatio­nalen Al-Quds-Tag in Bagdad. Die Kataib und ihr Führer Abu Mahdi al-Muhandis sind der iranischen Führung loyal ergeben.

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