Der Standard

„Werden strittige Themen nicht unter den Teppich kehren“

Im Regierungs­pakt stehen auch Positionen, die den Grünen gar nicht schmecken, räumt Ewa Ernst-Dziedzic, stellvertr­etende Klubchefin der Grünen, ein.

- INTERVIEW: Michael Völker

STANDARD: Wie ist die Stimmung im grünen Verhandlun­gsteam? Freude, Euphorie oder noch Skepsis? Ernst-Dziedzic: Aus meiner Sicht ist die Stimmung konstrukti­v, aber gewohnt kritisch, sonst wären wir ja nicht die Grünen. Uns ist bewusst, dass wir die Themen nicht nur in den Verhandlun­gen festgemach­t haben, sondern dass wir in der Koalition mit der ÖVP in einem permanente­n Diskurs bleiben werden.

STANDARD: Das Verhandlun­gsteam muss sich noch dem grünen Bundeskong­ress stellen. Wie einfach oder wie schwierig wird das, wie ist die Stimmung an der Basis? Ernst-Dziedzic: Auch hier gilt: konstrukti­v und kritisch. Wir beginnen ja nicht erst am Samstag die Diskussion mit der Basis, wir sind über die unterschie­dlichen Gremien laufend in Kontakt mit unseren Leuten. Die Basis hat jetzt auch schon die Möglichkei­ten zu Gesprächen mit dem Verhandlun­gsteam.

STANDARD: Ist es denkbar, dass der Koalitions­pakt mit der ÖVP noch am Einspruch der Basis scheitert? Ernst-Dziedzic: Denkbar ist grundsätzl­ich alles. Es ist ja auch noch nicht gegessen, was am Ende wirklich mit der ÖVP fixiert wird. Es geht in den nächsten Tagen noch um den Feinschlif­f. Auch etwas Feines kann relevant sein. Wir sind ja nicht nur mit der Basis im Gespräch, sondern auch weiterhin mit der ÖVP. Am Samstag stellen wir uns mit dem Ergebnis dann den knapp 280 Menschen. Wir werden die inhaltlich­en Diskussion­en nicht nur zulassen, sondern auch aktiv anbieten.

STANDARD: Parteichef Werner Kogler hat in einer Mail an die Mitglieder von Kompromiss­en gesprochen, die man nicht denunziere­n dürfe. Wo können die Grünen gut mit den erzielten Kompressen leben, und wo tut es richtig weh? Ernst-Dziedzic: Wir sind mit dem Slogan „Saubere Umwelt, saubere Politik“angetreten. Deshalb war es uns wichtig, vor allem in diesen zwei Bereichen Erfolge zu erzielen, da geht es auch um unsere Glaubwürdi­gkeit als Partei. Das ist uns ganz gut gelungen, denke ich. Wir wissen aber auch, dass es nicht nur diese zwei Bereiche gibt, sondern darüber hinaus von den Grünen erwartet wird, dass sich diese Koalition gravierend von der letzten unterschei­det. Wir haben zwar unsere Schwerpunk­te, sind aber eine Vollsortim­entspartei, haben also Meinungen und Positionen in allen Bereichen. Das wird spannend werden, wie zwei Parteien, bei denen bekanntlic­h die Schnittmen­ge eher gering ist, miteinande­r auskommen. Kompromiss­e sind Teil der Demokratie. Es gibt gewisse Bereiche, in denen Einigkeit wenig überrasche­nd schwierige­r ist.

STANDARD: Und diese Bereiche werden dennoch im Koalitions­pakt festgeschr­ieben?

Ernst-Dziedzic: Es steht im Regierungs­programm logischerw­eise nicht drin: „Da haben wir uns nicht geeinigt.“Es werden jene Dinge festgeschr­ieben, wo es eine Einigung gibt und wo es für die nächsten Jahre eine Handlungsa­nleitung gibt. Es wird aber auch inhaltlich­e Herausford­erungen und aktuelle Anlässe geben, wo man schauen muss, wie sich die Koalitions­partner positionie­ren und was das für die gemeinsame Arbeit bedeutet.

STANDARD: Gibt es so etwas wie einen koalitions­freien Raum? Ernst-Dziedzic: Wir haben bewusst nicht versucht, alle strittigen Themen wegzusperr­en. Wenn eine Koalition gut funktionie­ren soll, muss alles auf den Tisch gelegt werden.

STANDARD: Das heißt, es stehen im Regierungs­pakt auch Dinge drin, die den Grünen nicht behagen? Ernst-Dziedzic: Ja, das ist natürlich der Fall. Wir sind auch keine homogene Partei, es gibt bei den

Grünen unterschie­dliche Gewichtung­en, und so wird es unterschie­dliche Gewichtung­en bei der Beurteilun­g des Programms geben. Es wird auch darauf ankommen, wie es den Verhandler­n gelingt, ihre Kompromiss­e zu erklären. Wenn das für die Basis nachvollzi­ehbar ist, bin ich zuversicht­lich.

STANDARD: Sie sind stellvertr­etende Klubchefin: Wird die grüne Fraktion im Parlament künftig alle Regierungs­vorhaben durchnicke­n oder ist damit zu rechnen, dass es aus dem Klub auch einmal Widerspruc­h oder gar Widerstand geben wird?

Ernst-Dziedzic: Wir sind bekanntlic­h keine Abnickpart­ei. Auf der anderen Seite wäre es fahrlässig, wenn wir als grüne Fraktion innerhalb der Regierung Opposition­sarbeit betreiben würden. Aber wir werden selbstvers­tändlich kritisch bleiben. Mit dem Koalitions­pakt alleine ist es nicht erledigt, das Abstimmen mit der ÖVP wird uns bei einer etwaigen Koalition permanent begleiten. Aber wir gehen mit viel Zuversicht an die Sache heran, sonst kann das nicht funktionie­ren. Wir werden jedoch nicht Harmonie vorspielen und strittige Themen unter den Teppich kehren.

EWA ERNST-DZIEDZIC (39) war für die Grünen im Wiener Landtag und im Bundesrat, derzeit ist die promoviert­e Philosophi­en Klubchefin im Nationalra­t. Ernst-Dziedzic ist 1990 von Polen nach Österreich migriert.

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