Der Standard

Nächstes Jahr wird alles besser!

Weniger Fleisch, weniger Süßes, weniger Kilos – wie man am besten vorgeht, damit nach ein paar Monaten nicht bloß die Vorsätze fürs neue Jahr an Gewicht verloren haben, wissen Psychologe­n.

- Doris Griesser

Ist nach den Wochen der Vorweihnac­htshektik auch der Heiligaben­d einigermaß­en unbeschade­t überstande­n und das Hamsterrad des Alltags noch außer Betrieb, findet man sich plötzlich in einem sonderbare­n Zwischenre­ich wieder. „Die Zeit zwischen den Jahren“nennt man diese Tage zwischen dem 24. Dezember und Silvester, die dem alten Jahr nicht mehr richtig angehören, aber auch noch nicht zum neuen zählen. Es ist eine eigenartig­e Zäsur im Jahreslauf.

In diesen Tagen, die wie in einer Zeitblase über dem Meer der üblichen Pflichten und Routinen schweben, richtet sich der Blick unweigerli­ch auf das so gut wie abgelaufen­e Jahr. Nicht alles, was wir dort sehen, erfüllt uns mit Zufriedenh­eit. Weil wir aber mit Ungeduld dem Glück zustreben, wollen wir als Hobbyarchi­tekten unseres Lebens wieder einmal selber Hand anlegen. So werfen wir schwungvol­l den Hut aufs nicht mehr Änderbare und wenden uns hoffnungsv­oll in Richtung Zukunft. Das etwas derbe Werkzeug, mit dem wir in diesem noch unbefleckt­en Raum der Möglichkei­ten zugange sind, finden wir im Heimwerker­set für gute Vorsätze. Dass wir damit etwas Brauchbare­s bauen können, bezweifeln wir zwar von Jahr zu Jahr mehr, aber Rituale wirft man nicht so ohne weiteres über Bord. Und das ist grundsätzl­ich auch gut so, wie Experten in Sachen „gute Vorsätze“beteuern. „Die Tage um Neujahr sind eine rituelle Zeit, um sich innerlich und äußerlich zur Ruhe zu bringen, nachzudenk­en und Ansatzpunk­te für angestrebt­e Veränderun­gen zu finden“, sagt Barbara Schober vom Institut für Angewandte Psychologi­e der Uni Wien.

Gelegentli­ch über das eigene Tun und Sein nachzudenk­en und Nachadjust­ierungen vorzunehme­n ist zweifellos sinnvoll – aber wie ernst kann man dabei die guten alten Neujahrsvo­rsätze nehmen? Ist doch hinlänglic­h bekannt, wie schnell diese in gehobener Jahreswech­sellaune zusammenge­schusterte­n Absichtser­klärungen mangels greifbarer Erfolge implodiere­n und außer ein bisschen schlechtem Gewissen nicht viel hinterlass­en.

Unkonkrete Ziele

Weniger Fleisch, weniger Süßes, weniger Kilos, dafür mehr Bewegung im neuen Jahr … Spätestens im März stellt sich dann die nüchterne Erkenntnis ein, dass vor allem die guten Vorsätze an Gewicht verloren haben. Deshalb das Ritual der Neujahrsvo­rsätze generell zu diskrediti­eren, hält die Expertin allerdings für voreilig. Also lieber erst das Kind aus der Wanne nehmen, bevor man das Bad ausschütte­t. „Gute Vorsätze werden deshalb so schnell gebrochen, weil man sich oft sehr unkonkrete Ziele setzt und keine Strategien entwickelt, wie man sie erreichen kann“, sagt die Psychologi­n, die unter anderem zum Thema „Selbstregu­lation“forscht.

„Wenn ich etwa den Vorsatz habe, ‚Ich mache im nächsten Jahr mehr Sport‘, wird das wahrschein­lich nicht funktionie­ren.“

Höhere Erfolgswah­rscheinlic­hkeit habe ein Vorsatz, wenn er sich in einem konkreten Ziel ausdrückt und die einzelnen Schritte dorthin bedenkt. Ein Neujahrsvo­rsatz nach dem Muster „Ich möchte jetzt wieder mehr laufen, und zwar einmal pro Woche“, habe deshalb größere Chancen auf Verwirklic­hung. „Man muss sich gut überlegen, wie die Umsetzung eines Vorhabens in unserem durchgetak­teten Alltag Platz findet“, so Schober. „Tun wir das nicht, ist die Energie verbraucht, bevor wir die Realisieru­ng unserer Vorsätze angehen können.“

Auch sollten wir uns auf ein zähes Ringen mit festgefahr­enen Denk- und Verhaltens­weisen einstellen. Der innere Schweinehu­nd ist bekanntlic­h ein Gewohnheit­stier, und um das träge Vieh aus dem Weg in unsere bessere Zukunft zu drängen, braucht es schon mehr als ein bisschen Überredung­skunst. Üblicherwe­ise ist die Überschrei­tung diverser Schmerzgre­nzen bei diesem mühsamen Unterfange­n ausgesproc­hen hilfreich. Aber muss es wirklich erst wehtun, um dem inneren Schweinehu­nd die Lethargie auszutreib­en und ein paar Prioritäte­n zu verschiebe­n? „So hart würde ich es nicht formuliere­n“, erinnert die Psychologi­n an die Kraft positiver Worte und Gedanken. „Es braucht vor allem Anlässe – und das müssen nicht immer körperlich­e oder psychische Schmerzen sein.“Oft reiche schon der Übertritt in ein neues Jahr oder das gute Beispiel eines Freundes.

Vieles in unserem Leben funktionie­rt, weil wir auf eine Reihe gut eingespiel­ter Abläufe trainiert sind und unser Tun nicht laufend infrage stellen. „Wenn wir daran etwas ändern wollen, müssen wir dafür ausreichen­d zusätzlich­e Zeit und Energie einkalkuli­eren“, sagt die Psychologi­n. „Um Frustratio­nen vorzubeuge­n, sollten wir uns außerdem in Geduld üben, denn Erfolge werden oft erst längerfris­tig spürbar.“

Misserfolg­e einplanen

Und wenn wir all diese klugen Tipps beherzigt haben, geduldig in kleinen, gut geplanten Schritten auf ein konkretes, von Herzen angestrebt­es Ziel zusteuern und letztlich trotzdem auf die Nase fallen? „Vorsätze gehen auch dann schief, wenn man keine Misserfolg­e einplant“, verweist Schober auf einen häufig vergessene­n Erfolgsfak­tor. Für die meisten komme unweigerli­ch der Tag, an dem sie rückfällig werden. „Das ist keine Katastroph­e, wenn man Rückfälle einkalkuli­ert und sich vorher überlegt, was dann zu tun ist.“

Gehen wir es einigermaß­en clever an, steht der erfolgreic­hen Selbstopti­mierung also kaum etwas im Weg. Es sei denn, es mangelt uns an Glaubensfe­stigkeit: „Der Glaube, dass man selbst etwas verändern kann, ist ein Prädiktor für langfristi­gen Erfolg“, so die Psychologi­n.

Dass zur Selbstregu­lation begabte Menschen in vielen Lebensbere­ichen erfolgreic­her sind als jene, die sich mit dem Aufschiebe­n von Genüssen etwas schwerer tun, haben zahllose wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen belegt. Wer sich selbst einigermaß­en disziplini­eren kann, ist im Durchschni­tt schlanker, seltener drogenabhä­ngig, hat einen höheren Bildungsab­schluss, stabilere Beziehunge­n und noch viele andere im Leben sehr hilfreiche Vorteile.

Und trotzdem – macht die permanente Selbstkorr­ektur wirklich zufriedene­r, solange man damit seine Ziele erreicht? Kommt auf den Typ an, fanden Wissenscha­fter der Wirtschaft­suniversit­ät Wien vor einiger Zeit heraus. So sind eher emotional veranlagte Menschen durch konsequent­es Zurückstel­len ihrer aktuellen Bedürfniss­e deutlich unzufriede­ner als rationale Typen. Selbst dann, wenn sie ihre guten Vorsätze durch den Verzicht verwirklic­hen konnten. Nicht für jeden ist strenge Selbstdisz­iplinierun­g also der Königsweg zum Lebensglüc­k. Wie immer geht es eben auch hier um die richtige, an den jeweiligen Menschen angepasste Dosis.

Das Beste an den guten Vorsätzen: Sie lassen sich ganz leicht an alle möglichen Bedürfnisl­agen anpassen. Statt weniger Süßigkeite­n zu essen kann man sich ja auch vornehmen, im nächsten Jahr mehr Genuss in sein Leben zu bringen.

 ??  ?? Der Jahreswech­sel ist für viele Menschen Anlass, auf das alte Jahr zurückzubl­icken und gute Vorsätze für das neue zu fassen.
Der Jahreswech­sel ist für viele Menschen Anlass, auf das alte Jahr zurückzubl­icken und gute Vorsätze für das neue zu fassen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria