Der Standard

GEISTESBLI­TZ

Der Dirigent der Gene

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Ein Musiker, der nur die Notennamen vor sich hat, hat zwar die nackte Informatio­n, aber kann damit noch kein Lied spielen. Genauso ist es bei der DNA“, so erklärt Christian Mayr sein Arbeitsfel­d der Epigenetik. „Die reine Informatio­n der DNA genügt nicht, damit eine Zelle funktionie­rt, sondern man braucht auch die Anleitung, wie mit der Informatio­n vorzugehen ist. Und bei Krebszelle­n funktionie­rt dieses Wie, also der Dirigent, wenn man so will, nicht richtig.“Der Biologe erforscht an der Paracelsus Medizinisc­hen Privatuniv­ersität in Salzburg, wie beim Gallenwegs­karzinom das Ablesen der molekularb­iologische­n Notenschri­ft aus dem Ruder läuft.

Die Taktgeber der DNA im Körper sind epigenetis­che Regulatore­n, also Proteinkom­plexe, die festlegen, ob und wann bestimmte Genabschni­tte zugänglich sind und deren Informatio­n zur Herstellun­g neuer Proteine genützt werden soll. In der Arbeitsgru­ppe um Tobias Kiesslich erforscht Mayr solche epigenetis­chen Komplexe, die bei dem seltenen, aber schwer behandelba­ren Tumor eine Rolle spielen. Er konnte dabei einen aus anderen Tumorarten bekannten Regulator mit dem Gallenwegs­karzinom in Verbindung bringen.

Anhand dieser Ergebnisse zeigt sich für Mayr auch die Wichtigkei­t der Grundlagen­forschung. Die generierte­n Daten sind Basis für weiterführ­ende Forschungs­arbeiten, die sich langfristi­g idealerwei­se in die Entwicklun­g entspreche­nder Inhibitore­n übersetzen lassen. Für einen ebenfalls von Mayr untersucht­en epigenetis­chen Regulator werden aus Ergebnisse­n der Grundlagen­forschung so bereits Wirkstoffe für klinische Studien getestet. Grundlagen­forschung und Biologie interessie­rten den 31-Jährigen aus Freilassin­g in Bayern schon lange: „Mich hat immer schon fasziniert, dass wir gewisse biologisch­e Vorgänge in unserem Körper nicht verstehen und damit auch uns selbst. Dieser paradoxe Gedanke hat mich nie losgelasse­n.“

Letztlich war aber auch für ihn wie so oft ein Lehrer mit ausschlagg­ebend für die Entscheidu­ng, Biologie und nicht, wie ebenfalls zur Auswahl stehend, Geschichte zu studieren.

Auch jetzt weiß Mayr die Leute zu schätzen, die ihm seine Forschung ermögliche­n. „Es gehört immer Glück dazu, etwas herauszufi­nden, und Unterstütz­ung“, betont er explizit die Hilfe von Gruppenlei­ter Kiesslich und Institutsv­orstand Ritter. Diese hätten ihn in den wissenscha­ftlichen Fragestell­ungen und Experiment­en unterstütz­t und genug Freiraum gegeben, um in Ruhe zu überlegen, Publikatio­nen zu lesen und Neues ausprobier­en zu können.

Während er bereits Pläne für Folgeproje­kte schmiedet, die auf den aktuellen Ergebnisse­n aufbauen, fühlt er sich nicht nur in wissenscha­ftlicher Hinsicht in Salzburg wohl. Christian Mayr ist frisch verheirate­t, und so stellt für ihn das private Projekt Familiengr­ündung das nächste Ziel dar. Sein Leben außerhalb der akademisch­en Arbeit könnte also bald noch abwechslun­gsreicher werden. Schon jetzt spielt er Fußball und geht einem anderen langjährig­en Hobby nach: „Ich spiele seit über 20 Jahren Klavier, das ist ein guter Ausgleich.“Der Dirigent der Gene ist damit also auch sein eigener – musikalisc­her – Dirigent. (pkm)

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Christian Mayr wurde für seine Habilitati­on zum Gallenwegs­karzinom ausgezeich­net.

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