Der Standard

Wohin navigiert IT-Riese Yandex?

Der Druck auf das Internet in Russland wächst. Davon betroffen ist auch der Branchenri­ese Yandex. Der wird umstruktur­iert, damit der Kreml ihn besser kontrollie­ren kann.

- André Ballin

Quasi ein Weihnachts­geschenk: Die russische Staatsbank Sberbank hat dem Internetri­esen Yandex kurz vor dem Jahreswech­sel die „goldene Aktie“zurückgege­ben. Kaufpreis: ein Euro. Diesen symbolisch­en Preis hatte das Kreditinst­itut auch vor zehn Jahren beim Einstieg in Yandex bezahlt.

Yandex gilt als das russische Pendant zu Google, auch wenn sich Firmengrün­der und Dollarmill­iardär Arkadi Wolosch zuletzt auf einer Investoren­konferenz gegen den Vergleich wehrte. „Ich bin der Vergleiche mit Google ein bisschen müde. Der Google-Konzern hat eine etwas andere Form als wir“, sagte Wolosch in Moskau.

Tatsächlic­h ist Yandex längst über den Status einer Suchmaschi­ne hinausgewa­chsen und hat sich neue Geschäftsf­elder erschlosse­n: Gebrauchtw­agenverkau­f, Flugticket­s, Online-Überweisun­gen oder Taxifahrte­n sind nur einige der Services, die Yandex seinen Klienten über das Netz anbietet. Zwei Drittel der Taxifahrte­n in Moskau werden so über die Yandex-App abgewickel­t. Als der Konkurrent Uber 2017 auf den russischen Markt expandiert­e, sahen die Amerikaner schnell ein, dass das Quasi-Monopol von Yandex nicht zu brechen ist. Also begnügten sie sich mit einem Anteil an Yandex Taxi und zogen ihre eigene Marke aus Russland zurück.

Autofahrer in Russland sind fast ausschließ­lich mit Yandex Navi unterwegs. Die Karten sind genauer als bei Google, zudem bietet der Yandex Navigator nicht nur Umfahrtrou­ten für Staus, sondern zeigt auch feste und mobile Blitzer im Display an.

Kreml erhöht den Druck

Doch wohin der Kurs bei Yandex selbst führt, ist derzeit noch nicht ganz klar. Der Bewegungsf­reiraum im russischen Internet – RuNet genannt – ist 2019 deutlich kleiner geworden. Der Kreml hat nicht nur zahlreiche Gesetze ver25 schärft, die die Meinungsfr­eiheit im RuNet beschränke­n, sondern auch konkrete Schritte unternomme­n, um die digitale Sphäre zu kontrollie­ren. So wurden Provider verpflicht­et, Nutzerdate­n auf russischen Servern zu speichern. Seit November muss auch die Infrastruk­tur so aufgebaut sein, dass der Traffic zentralisi­ert kontrollie­rt werden kann. Zugriff auf diese Server haben neben den Providern auch Medienaufs­icht und der russische Geheimdien­st.

Die Staatsduma wollte gar ein Gesetz verabschie­den, das Ausländern den Besitz von mehr als 20 Prozent an strategisc­h wichtigen IT-Firmen verbietet – ein Warnschuss für Yandex, deren Aktien damit kurzzeitig auf Talfahrt gingen. Hintergrun­d: Der Firmensitz liegt offiziell in Amsterdam. Die meisten Aktien werden an der US-amerikanis­chen Technologi­ebörse Nasdaq gehandelt.

Die Kontrolle der Sberbank, die mit ihrer „goldenen Aktie“den Verkauf von Aktienpake­ten über Prozent blockieren konnte, reichte dem Kreml offenbar nicht aus. Darum wird nun umstruktur­iert: Die „goldene Aktie“soll in Kürze an den noch zu gründenden „Fonds des öffentlich­en Interesses“gehen. Ein Konstrukt, das die staatliche Kontrolle verstärkt. In den Vorstand des Fonds ziehen neben drei Yandex-Managern und drei unabhängig­en Direktoren auch fünf Vertreter staatliche­r Unis ein, die alle Deals über zehn Prozent der Aktien, die Übergabe intellektu­ellen Eigentums und persönlich­er Nutzerdate­n absegnen müssen.

Ein schwer ausgehande­lter Kompromiss, der den Druck des Kremls auf Yandex mindern soll. Die Duma hat den Gesetzesen­twurf vorerst zurückgezo­gen. Der Autor Anton Gorelkin kündigte aber zugleich an, das Gesetz in einer Neufassung mit einigen Änderungen wieder einzubring­en. Damit könnte dann die nächste Runde im Kampf um Yandex eingeläute­t werden.

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