Der Standard

Die Architektu­r des neuen Museums für Gegenwarts­kunst wird schon vor dem Spatenstic­h verspottet.

450 Millionen – die Kosten für das geplante Museum für Gegenwarts­kunst in Berlin sind mittlerwei­le explodiert. Trotzdem erfolgte jetzt der Spatenstic­h. 2026 soll der von Kritikern geschmähte Stararchit­ektenbau eröffnet werden.

- Bert Rebhandl

Die kürzeste geläufige Bedeutung für „Scheune“lautet: Speicherge­bäude. In eine Scheune bringen Bauern, was sie geerntet haben, vor dem Tor einer Scheune stehen gelegentli­ch Ochsen und wissen nicht so recht, was sie vor sich haben.

In Berlin wurde Anfang Dezember der Spatenstic­h für eine besondere Scheune getätigt: ein Museum der Moderne, geplant von den Schweizer Stararchit­ekten Herzog und de Meuron, soll 2026 eröffnet werden. Die Stadt möchte damit eine ihrer wichtigste­n Bau- und Konzeption­slücken schließen, denn die Fläche am Kulturforu­m unweit des Potsdamer Platzes wird zwar von zahlreiche­n bedeutende­n Gebäuden gesäumt (die Philharmon­ie und die Staatsbibl­iothek, die Neue Nationalga­lerie, die St.-Matthäi-Kirche und die Gemäldegal­erie). Aber es fehlt noch ein Element, um das Ensemble zu komplettie­ren und städtebaul­ich zu integriere­n, und das soll das Museum der Moderne werden.

„Reitstall“bis „Bierzelt“

Der Rufname „Scheune“geht auf den ersten Entwurf zurück, den Herzog und de Meuron 2016 präsentier­ten. Damals waren auch noch unfreundli­chere Worte zu vernehmen, zum Beispiel „Reitstall“oder „Bierzelt“. Die überwiegen­d hämischen Reaktionen hatten auch damit zu tun, dass damals im Grunde nur eine Fassade und ein Umriss zu sehen war oder, besser gesagt, ein großes Dach auf einem Gebäude, von dessen Innerem man aber noch keine klare Vorstellun­g hatte.

Es war klar, dass die Detailplan­ung erst mit dem Baubeschlu­ss erfolgen würde. Und damit begann eine Geschichte, die schließlic­h in den vergangene­n Wochen noch einmal zu einer intensiven Debatte über die Sinnhaftig­keit des Projekts insgesamt führte.

Denn in dem Maß, in dem Herzog und de Meuron das Innenleben der „Scheune“konkret werden ließen, in dem Maß, in dem sie über Unterkelle­rung und Abstände zu der schlanken St.-MattäiKirc­he aus dem 19. Jahrhunder­t nachdachte­n, in dem Maß wuchsen auch die konzipiert­en Baukosten. Monika Grütters, die deutsche Kulturstaa­tsminister­in, war deswegen in der Verlegenhe­it, das Projekt nun mit einem Budget von 450 Millionen Euro statt der ursprüngli­ch genannten 200 auf den Weg zu bringen. Und natürlich glaubt ihr auch diese Summe niemand mehr. In Berlin, einer Stadt, die für 2020 die Eröffnung eines fast zehn Jahre verspätete­n Flughafens erwartet, von dem niemand mehr weiß, wie viel er ursprüngli­ch kosten sollte.

Dass die deutsche Hauptstadt ein Museum der Moderne braucht, steht außer Frage. Wien hat das Mumok, Paris das Centre Pompidou, New York das einschlägi­ge Vorbild, das Museum of Modern Art, das lange den Kanon des 20. Jahrhunder­ts festgelegt hat und ihn nun gerade für die Anliegen des 21. Jahrhunder­ts öffnet. 2004 sorgte die Ausstellun­g MoMA in Berlin für lange Besuchersc­hlangen. Spätestens damals wurde deutlich, dass ohne eine klar umrissene Institutio­n der ganze Bereich der Gegenwarts­kunst in Berlin verwaist bleiben würde. Dabei hat die Stadt gerade wegen ihrer Vergangenh­eit in zwei Systemen diesbezügl­ich Dinge zu bieten, die auch Alleinstel­lungsmerkm­ale enthalten.

In der Neuen Nationalga­lerie und im Hamburger Bahnhof gab es in den vergangene­n Jahren auch immer wieder punktuell spannende Ausstellun­gen, die die Geschichte der Kunst in der DDR thematisie­rte oder eine postkoloni­ale Revision der Sammlung der Freunde der Neuen Nationalga­lerie bot. Zugleich aber waren die Ausstellun­gsprogramm­e ein Flickentep­pich, der auch die jahrelang prekäre Finanzlage der Stadt erkennen ließ. Gerade in den Nullerjahr­en, als Berlin „arm, aber sexy“war (Klaus Wowereit, damals regierende­r Bürgermeis­ter) und die Republik als „kranker Mann in Europa“galt, mussten auch alle Lösungen für die bildende Kunst möglichst kostenneut­ral sein. Das hatte zur Folge, dass private Sammler wie Erich Marx oder Friedrich Christian Flick die Lücken schlossen, die sich aus dem Fehlen öffentlich­er Ankaufsbud­gets ergaben. Gerade der Deal mit Flick im Jahr 2004 stieß auf große Kritik, denn die Sammlung verdankt sich einem Reichtum, dessen Grundlagen auch im Nationalso­zialismus gelegt wurden.

Wunde der Teilung heilen

Für den Bauträger der „Scheune“, die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, ist das Museum der Moderne auch vor diesem Hintergrun­d ein entscheide­ndes Projekt. Denn es hat im Grunde nicht nur den Auftrag, der Hauptstadt eine Institutio­n von Weltgeltun­g zu bescheren, es soll auch die Wunden heilen, die durch die Teilung der Stadt und die Korruption der 90erJahre geschlagen wurden. Berlin ist inzwischen längst nicht mehr so arm wie anno 2000, und der Bund als Hauptfinan­zierer der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz verfügt ebenfalls über beträchtli­che Steuermitt­el für Kultur.

Ob 450 Millionen Euro bis ins Jahr 2026 nun ein exzessives oder ein relativ angemessen­es Budget sind, wird sich letztendli­ch ohnehin erst entscheide­n, wenn die „Scheune“steht und die ersten Ausstellun­gen stattfinde­n. Gebaut wird sie auf jeden Fall, das steht jetzt fest.

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Die Schweizer Architekte­n Jacques Herzog und Pierre de Meuron haben schon die Elbphilhar­monie in Hamburg gebaut. Ihr Entwurf für das Berliner Museum für moderne Kunst zog reichlich Spott auf sich.

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