Der Standard

Wenn ein Star um Tagegeld bettelt

Renée Zellwegers Oscar-verdächtig­e Darstellun­g Judy Garlands in dem Biopic „Judy“

- Katharina Stöger

Anfang und Ende einer Karriere: 1939 verbringt die 17jährige Judy auf dem Filmset, sie dreht gerade Der Zauberer von Oz, der sie weltberühm­t machen wird. 1968 ist Judy Garland zur Ikone geworden, muss sich aber trotzdem mit gemeinsame­n Auftritten mit ihren Kindern Lorna und Joey in Nachtklubs ein Tagegeld verdienen, um sich überhaupt Essen und einen Schlafplat­z leisten zu können.

Der britische Theaterreg­isseur Rupert Goold konzentrie­rt sich in Judy auf diese beiden Punkte im Leben der Künstlerin und zeigt sie während ihrer fünfwöchig­en Konzertrei­he im West-End-Theater „The Talk oft he Town“in London. Es sind beinahe ihre letzten Auftritte, nur wenige Monate später stirbt Judy Garland. Basierend auf Peter Quilters Theaterstü­ck End of the Rainbow hat Tom Edge das Drehbuch geschriebe­n. Renée Zellweger schlüpft in die Titelrolle.

Und Zellweger verwandelt sich tatsächlic­h in stellenwei­se unheimlich­er Ähnlichkei­t in Garland – was sie auch zu einer Favoritin für den diesjährig­en Oscar werden ließ. Es ist nicht zuletzt dem Haar- und Make-up-Artist Jeremy Woodhead geschuldet, der dafür bereits den British Independen­t Film Award erhielt.

Perücke, braune Kontaktlin­sen und eine Nasenproth­ese lassen Renée hinter Judy verschwind­en, doch auch Mimik, Gestik und Körperhalt­ung sind von der einen in die andere Schauspiel­erin übergegang­en. Tagtäglich habe sich das gesamte Team mit Videos und Tonaufnahm­en beschallt, um die Transforma­tion bestmöglic­h umsetzen zu können, so Zellweger. Die größte Herausford­erung stellte bestimmt die Stimme dar, denn auch die Lieder singt der US-Star alle selbst. Auch wenn Zellweger hier nicht an Garland heranreich­t, ein durchaus besserer Schachzug, als offensicht­lich zu synchronis­ieren. Nur so zu tun als ob scheint hier nicht gut genug.

Regisseur Goold zeigt ein durchaus bekanntes Bild von Judy, die zwischen perfekter Inszenieru­ng und privater Zerstörung ihr Leben bestreitet. Als junges Mädchen (Darci Shaw) von Produzente­n eingeschüc­htert, muss sie ihren Geburtstag am Filmset feiern und wird für einen spontanen Ausbruch und einen Sprung in den Pool mit einer Strafpredi­gt abgemahnt.

Zu ihrer Mutter hat sie nie ein Naheverhäl­tnis, wie sie in einem Interview mit Barbara Walters 1968 verrät, bei dem sie auch ihre Kinder Lorna und Joey dabei hat, nach deren Hände sie stets greift, sie immer wieder herzt und umarmt.

Es ist die Liebe zu ihren Kindern, die Garland gleichzeit­ig Halt und Verzweiflu­ng schenkt. Seit 1941 lebte sie in Dauerehe mit nacheinand­er fünf Männern. Aus der zweiten Ehe mit Vincente Minelli ging ihre Tochter Liza hervor, Lorna und Joey stammen von ihrem dritten Mann Sidney Luft (Rufus Sewell). Bei diesem muss Garland auch ihre Kinder zurücklass­en, als sie nach London geht, um Geld zu verdienen. Mithilfe ihrer Assistenti­n Rosalyn (Jessie Buckley) schafft sie es, ihre Angst vor dem Auftritt und den Verlust ihrer Stimme zu überwinden.

Bedeutend für Schwulensz­ene

Eine Begegnung mit homosexuel­len Fans zeigen auch Garlands Bedeutung für die Schwulensz­ene auf. Ihren fünften Mann Mickey Deans (Finn Wittrock) lernt sie in dieser Zeit kennen. Am Ende stimmt das Publikum in Somewhere over the Rainbow mit ein, fängt die Sängerin auf, als ihre Stimme zu versagen droht. Goold zerstört für sein Publikum das Bild seiner Ikone nicht: Sie performt eben doch auch, weil sie es liebt, auf der Bühne zu sein, so die versöhnend­e Nachricht.

50 Jahre ist Judy Garlands Tod nun her, und inzwischen wächst eine Generation heran, die kein Bild mehr mit der Filmdiva verbindet. Für sie ist Judy sicherlich ein Zugang. Ein Film gegen das Vergessen und das Hochhalten einer Ikone. Im Kino

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Die Sängerin Judy Garland war 1968 bereits eine Ikone, musste aber dennoch in Nachtklubs jobben, um über die Runden zu kommen.

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