Der Standard

Journalist­en im Visier

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Das Verhältnis zwischen Journalist­en und Politikern wird oft von der Macht der Angst auf beiden Seiten geprägt. Ich teile die Meinung des bedeutende­n deutschen Publiziste­n Klaus Harpprecht (1927–2016), dass Journalism­us „der schönste, der schrecklic­hste aller Berufe“sei. Die Berichte der „Reporter ohne Grenzen“zeigen allerdings, dass es sich auch um einen höchst gefährlich­en Beruf handelt. Die Beispiele der ermordeten Journalist­en in der Slowakei und auf Malta sind eine Warnung, dass die von Harpprecht gelobte „unstillbar­e Neugier“ selbst in EU-Staaten lebensgefä­hrlich sein könnte, wenn es um die Pfründe der Regierungs­spitze geht. Insgesamt wurden 2019 weltweit 38 Journalist­en getötet und 232 inhaftiert.

Kein Wunder, dass der Ausschnitt aus dem IbizaVideo, in dem HeinzChris­tian Strache von einer möglichen Übernahme der Kronen Zeitung („zack, zack, zack!“) sprach und Journalist­en „sowieso die größten Huren auf dem Planeten“nannte, auch in den Medien für ein Erdbeben sorgte. Der damalige FPÖ-Obmann und Vizekanzle­r hatte genaue Vorstellun­gen, wie man am Beispiel Viktor Orbáns und mithilfe dessen österreich­ischer Medienkump­ane (Heinrich Pecina habe „dem Orbán alle ungarische­n

Medien der letzten 15 Jahre aufgekauft und für ihn aufbereite­t“) auch in Österreich ungarische Zustände schaffen könnte. Man muss offen ausspreche­n, dass die Grundlage des unter dem Deckmantel der unbehinder­ten Redefreihe­it durch gerissene und gesteuerte Medienunte­rnehmer errichtete­n Systems der Unterwürfi­gkeit auch in den liberalen Demokratie­n schlicht und einfach die Dummheit ist. Mahnte doch schon Bert Brecht: „Unsichtbar macht sich die Dummheit, indem sie ungeheure Ausmaße annimmt.“Deshalb bleibt die von Grünen-Chef Werner Kogler und dem ÖVP-Medienspre­cher versproche­ne Förderung des „qualitätsv­ollen, unabhängig­en Journalism­us“(neben dem hohen Bildungsni­veau) eine Kernfrage für die Zukunft der österreich­ischen Demokratie.

Man soll nicht nur Diktaturen oder autoritäre Systeme, von Russland und China bis zu Ungarn oder zur Türkei, als abschrecke­nde Beispiele anführen. Die Art und Weise, wie die Wahlberich­terstattun­g der BBC von den Siegern und Verlierern mit „giftigem Zynismus“(so Nachrichte­nsprecher Huw Edwards) angegriffe­n wurde und mit der Abschaffun­g der Rundfunkge­bühren gedroht wurde, spiegelt das Spannungsv­erhältnis zwischen Politik und Medien auch im Mutterland der Demokratie. Mit Hetze und Dreck kann man in Großbritan­nien ebenso wie in Österreich viel Geld verdienen. Unabhängig­e Qualitätsz­eitungen und unabhängig­e Mitarbeite­r und Redakteure der Öffentlich-Rechtliche­n sind stets im Visier machthungr­iger Politiker. Natürlich machen sie auch Fehler oder attackiere­n sogar grundlos Mitglieder der sogenannte­n politische­n Elite. Absurd, gefährlich sind aber die Unterstell­ungen im Geiste der Verschwöru­ngstheorie­n, dass Fehler in der Berichters­tattung bewusst geplant oder begangen werden, um einer Partei zu schaden und einer anderen zu helfen. Die Journalist­en, die sich zu einem liberalen, weltoffene­n Europa des Westens bekennen, werden jedenfalls in den Augen der Rechts- oder Linksextre­misten immer verdächtig bleiben.

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