Der Standard

Die Roboterinv­asion ist abgesagt – vorerst

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Sie werden kommen, sie werden uns überholen, sie werden uns ersetzen und uns die Weltherrsc­haft entreißen – die Rede ist von Robotern und intelligen­ter Software, und das schon ziemlich lange. Seit Jahrzehnte­n befeuern selbsterna­nnte Futuristen waghalsige Visionen vom nutzlos gewordenen Menschen in einer algorithmi­sch gesteuerte­n Welt.

Technologi­sche Singularit­ät ist das Stichwort für den Zeitpunkt, zu dem ein Computerpr­ogramm so intelligen­t wird, dass es seine Erschaffer übertrumpf­t und damit einen Schlussstr­ich unter die Jahrtausen­de setzt, in denen die Menschheit ihre Geschichte selbst schrieb.

Für manche scheint dieser Punkt wohl nah zu sein. Schließlic­h staunten wir in den letzten Jahren über Maschinen, die plötzlich unsere Sprache verstehen und sprechen konnten. Plötzlich war der Google-Übersetzer nicht mehr nur für Spaß, sondern für ernsthafte Hilfe zu haben. Wir lachten über Apps, die uns älter aussehen ließen, und über Deepfakes von Donald Trump. Wir staunten über Autos, die Testperson­en autonom, zügig und elegant von Tür zur Tür brachten. Aber die dahinterli­egenden Algorithme­n sind allenfalls praktische Fachidiote­n – und das werden sie wohl auch 2030 noch sein. Eine allgemeine künstliche Intelligen­z ist viel komplizier­ter. Ihre Geburt, die uns den Computern angeblich untertan machen würde, wurde immer wieder verschoben. Manch Forscher sagte sie gleich ganz ab.

Viel gefährlich­er als Maschinen, die außer Kontrolle geraten, ist auch in den 2020er-Jahren eine Gesellscha­ft, die mithilfe von Maschinen außer Kontrolle gerät. Zwar ist ein Gesichtser­kennungsal­gorithmus verglichen mit dem menschlich­en Gehirn noch beschränkt, er könnte aber zur Schlüsselt­echnologie für ein weitreiche­ndes Überwachun­gsregime werden. Zusammen mit einem dichten Netz an Kameras sind lückenlose Bewegungsp­rofile von jeder einzelnen Person möglich.

Wir können zwar selbst entscheide­n, ob wir uns ein Amazon Echo ins Haus holen, in ein selbstfahr­endes Auto steigen oder Facebook unsere Daten schenken. Vieles wird aber auf gesellscha­ftlicher und politische­r Ebene entschiede­n werden: Wie viel Gesichtser­kennung lassen wir im öffentlich­en Raum zu? Sollen Algorithme­n dem Staat dabei helfen, Arbeitslos­e zu klassifizi­eren? Verbieten wir die Verwendung von unberechen­baren Hightech-Waffen? Manche autoritäre Staaten haben diese Fragen schon entschiede­n, in Demokratie­n können Bürger das Ruder noch herumreiße­n. (pp)

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