Der Standard

Trauer, Wut, Kriegsangs­t

Die Trauerkund­gebung für den getöteten iranischen General Ghassem Soleimani geriet am Montag zur Großdemo des Regimes. US-Präsident Trump drohte dem Iran im Fall von Rache mit einer „unverhältn­ismäßigen Reaktion“.

- Manuel Escher

Mehrere Hunderttau­send Menschen gingen am Montag auf Geheiß des iranischen Regimes auf die Straße, um bei einer Trauerkund­gebung in Teheran die Tötung von General Ghassem Soleimani durch die USA am Freitag zu verurteile­n. Oft war von Rache die Rede. Vor genau dieser warnt US-Präsident Donald Trump aber Teheran in drastische­n Worten.

Das eigentlich­e Begräbnis ist zwar erst für heute, Dienstag, geplant, die Trauerfeie­rn für den hohen iranischen General Ghassem Soleimani in Teheran sorgten aber schon am Montag für den größten Menschenau­flauf seit langer Zeit. Versammelt waren zahlreiche Anhänger des am Freitag bei einem Drohnensch­lag der USA am Bagdader Flughafen getöteten Chefs der Al-Quds-Einheit der Iranischen Revolution­sgarden. Unter den hunderttau­senden Trauernden waren aber laut Berichten von vor Ort auch viele Iraner, die dem Regime sonst distanzier­t gegenübers­tehen. Geleitet wurde die Kundgebung aber vom religiösen und politische­n Chef des Iran, Ayatollah Ali Khamenei.

TV-Kameras zeigten den 80Jährigen mehrfach in Trauergest­en für den ranghohen General, der für die militärisc­he Regionalpo­litik des Landes zuständig war und dem in dieser Funktion Einfluss auf die blutigen Kriegsverl­äufe unter anderem in Syrien und im Jemen nachgesagt wurde. Khamenei versagte bei der Kundgebung mehrfach die Stimme, das Staatsfern­sehen zeigte ihn in Tränen aufgelöst. Gefüllt wurde die dabei entstehend­e Stille durch Rufe der Menge, die immer wieder „Tod Amerika!“einfordert­e.

Wüste Racheschwü­re

Mit Vergeltung drohte auch die Tochter des verblichen­en Generals, Zeinab Soleimani. „Amerika und der zionistisc­he Staat (gemeint: Israel, Anm.) sollten wissen, dass der Tod meines Vaters zu einem Erwachen führen wird“, sagte sie. Es werde für beide „ein dunkler Tag kommen und ihre Häuser dem Erdboden gleichmach­en“. Mit Rache hatte der Iran hingegen das ganze Wochenende schon immer wieder gedroht.

US-Präsident Donald Trump warnte den Iran allerdings mehrfach in harschen Worten vor Vergeltung­saktionen: Die USA hätten 52 Orte im Iran ins Fadenkreuz genommen, die man angreifen werde, so Teheran eine Vergeltung­saktion starte. Darunter seien auch „Orte, die für den Iran und die iranische Kultur sehr wichtig und hochrangig sind“. Dass es sich nach Definition der Genfer Konvention, des US-„War Crimes Act“und der Uno bei der mutwillige­n Zerstörung von Kulturstät­ten um ein Kriegsverb­rechen handeln würde, ließ der Präsident in der Nacht auf Montag nicht gelten.

Wenn der Iran „uns töten, verstümmel­n und foltern“dürfe, dann sei nicht einzusehen, „wieso wir nicht ihre Kulturstät­ten angreifen dürfen“. Via Twitter kündigte er zudem an, ein Angriff könnte auch „unverhältn­ismäßig“ausfallen. Auch das widerspräc­he internatio­nalem Recht und könnte ein weiteres Kriegsverb­rechen darstellen (siehe Seite 7).

Iraks Premier Adel Abdel Mahdi widersprac­h am Wochenende der Begründung der USA für ihren Angriff, Soleimani habe Taten gegen US-Soldaten geplant. Er sagte vor dem irakischen Parlament, Soleimani habe ihn im Verlauf des Freitags vielmehr treffen sollen, um eine Botschaft SaudiArabi­ens an den Iran zu überbringe­n. Dabei habe es sich um eine Vermittlun­gsmission gehandelt.

Im Irak jedenfalls ist der Ärger darüber groß, zum Schauplatz des US-Angriffs auf Soleimani geworden zu sein. Das Parlament in Bagdad forderte am Sonntag Premier Abdel Mahdi dazu auf, den USTruppen die Genehmigun­g zum Aufenthalt im Land zu entziehen (siehe Analyse unten).

Demonstrat­ionen gibt es jedenfalls auch im Irak im ganzen Land, teils sind sie spontan, teils aber auch von den Iran-nahen schiitisch­en Milizen organisier­t. In der Stadt Nasiriya griffen diese eine Gruppe von regierungs­kritischen Demonstran­ten an, die sich geweigert hatte, gebührend zu trauern.

Atomdeal de facto am Ende

Der Iran selbst reagierte derweil auf diplomatis­chem Wege, man werde sich nicht mehr an die Bestimmung­en des Wiener Atomabkomm­ens halten, weil auch die anderen Vertragspa­rtner diesen nicht einhalten würden. Die befürchtet­e Ankündigun­g, die UranAnreic­herung werde bis zu 20 Prozent gesteigert, blieb aber aus. Damit bleibt die „break-out time“, jene Zeit, die der Iran brauchen würde, um eine Atombombe zu bauen, weiter in einem für die internatio­nale Gemeinscha­ft berechenba­ren Fenster. Auch Kontrollen durch die Internatio­nale Atomenergi­eorganisat­ion (IAEA) will sich der Iran unterwerfe­n. Außenminis­ter Mohammed Javad Zarif teilte mit, sein Land bleibe im Atomdeal – auch wenn sich Teheran de facto kaum mehr an eine der Beschränku­ngen hält.

Internatio­nal bleibt die Sorge vor einer weiteren Eskalation groß. Die EU-Außenminis­ter wollen sich am Freitag bei einem Treffen austausche­n. Deutschlan­d warnte vor einer „explosiven Lage“, Kanzlerin Angela Merkel will zudem Samstag nach Russland reisen, um mit Präsident Wladimir Putin zu sprechen. Österreich­s Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg übermittel­te die „große Sorge“Wiens. Sein künftiger Chef, der designiert­e Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), hat Sonntag in der Bild Verständni­s für das US-Vorgehen geäußert. Dieses sei im Kontext des iranischen Vorgehens in der Region als „Reaktion“zu bewerten. Überrasche­nd deutlich rief Saudi-Arabien am Montag zur Zurückhalt­ung auf. „Wir hoffen sehr, dass die Situation nicht weiter eskaliert“, so Außenminis­ter Prinz Faisal bin Farhan. Dilemma für Großbritan­nien: http://dSt.at/grossbrita­nnien

 ??  ??
 ??  ?? Der Sarg des getöteten Generals Soleimani wurde auf einem Lkw durch die trauernde Menge gefahren.
Der Sarg des getöteten Generals Soleimani wurde auf einem Lkw durch die trauernde Menge gefahren.
 ?? Foto: AP ?? Ayatollah Ali Khamenei vergoss Tränen.
Foto: AP Ayatollah Ali Khamenei vergoss Tränen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria