Trauer, Wut, Kriegsangst
Die Trauerkundgebung für den getöteten iranischen General Ghassem Soleimani geriet am Montag zur Großdemo des Regimes. US-Präsident Trump drohte dem Iran im Fall von Rache mit einer „unverhältnismäßigen Reaktion“.
Mehrere Hunderttausend Menschen gingen am Montag auf Geheiß des iranischen Regimes auf die Straße, um bei einer Trauerkundgebung in Teheran die Tötung von General Ghassem Soleimani durch die USA am Freitag zu verurteilen. Oft war von Rache die Rede. Vor genau dieser warnt US-Präsident Donald Trump aber Teheran in drastischen Worten.
Das eigentliche Begräbnis ist zwar erst für heute, Dienstag, geplant, die Trauerfeiern für den hohen iranischen General Ghassem Soleimani in Teheran sorgten aber schon am Montag für den größten Menschenauflauf seit langer Zeit. Versammelt waren zahlreiche Anhänger des am Freitag bei einem Drohnenschlag der USA am Bagdader Flughafen getöteten Chefs der Al-Quds-Einheit der Iranischen Revolutionsgarden. Unter den hunderttausenden Trauernden waren aber laut Berichten von vor Ort auch viele Iraner, die dem Regime sonst distanziert gegenüberstehen. Geleitet wurde die Kundgebung aber vom religiösen und politischen Chef des Iran, Ayatollah Ali Khamenei.
TV-Kameras zeigten den 80Jährigen mehrfach in Trauergesten für den ranghohen General, der für die militärische Regionalpolitik des Landes zuständig war und dem in dieser Funktion Einfluss auf die blutigen Kriegsverläufe unter anderem in Syrien und im Jemen nachgesagt wurde. Khamenei versagte bei der Kundgebung mehrfach die Stimme, das Staatsfernsehen zeigte ihn in Tränen aufgelöst. Gefüllt wurde die dabei entstehende Stille durch Rufe der Menge, die immer wieder „Tod Amerika!“einforderte.
Wüste Racheschwüre
Mit Vergeltung drohte auch die Tochter des verblichenen Generals, Zeinab Soleimani. „Amerika und der zionistische Staat (gemeint: Israel, Anm.) sollten wissen, dass der Tod meines Vaters zu einem Erwachen führen wird“, sagte sie. Es werde für beide „ein dunkler Tag kommen und ihre Häuser dem Erdboden gleichmachen“. Mit Rache hatte der Iran hingegen das ganze Wochenende schon immer wieder gedroht.
US-Präsident Donald Trump warnte den Iran allerdings mehrfach in harschen Worten vor Vergeltungsaktionen: Die USA hätten 52 Orte im Iran ins Fadenkreuz genommen, die man angreifen werde, so Teheran eine Vergeltungsaktion starte. Darunter seien auch „Orte, die für den Iran und die iranische Kultur sehr wichtig und hochrangig sind“. Dass es sich nach Definition der Genfer Konvention, des US-„War Crimes Act“und der Uno bei der mutwilligen Zerstörung von Kulturstätten um ein Kriegsverbrechen handeln würde, ließ der Präsident in der Nacht auf Montag nicht gelten.
Wenn der Iran „uns töten, verstümmeln und foltern“dürfe, dann sei nicht einzusehen, „wieso wir nicht ihre Kulturstätten angreifen dürfen“. Via Twitter kündigte er zudem an, ein Angriff könnte auch „unverhältnismäßig“ausfallen. Auch das widerspräche internationalem Recht und könnte ein weiteres Kriegsverbrechen darstellen (siehe Seite 7).
Iraks Premier Adel Abdel Mahdi widersprach am Wochenende der Begründung der USA für ihren Angriff, Soleimani habe Taten gegen US-Soldaten geplant. Er sagte vor dem irakischen Parlament, Soleimani habe ihn im Verlauf des Freitags vielmehr treffen sollen, um eine Botschaft SaudiArabiens an den Iran zu überbringen. Dabei habe es sich um eine Vermittlungsmission gehandelt.
Im Irak jedenfalls ist der Ärger darüber groß, zum Schauplatz des US-Angriffs auf Soleimani geworden zu sein. Das Parlament in Bagdad forderte am Sonntag Premier Abdel Mahdi dazu auf, den USTruppen die Genehmigung zum Aufenthalt im Land zu entziehen (siehe Analyse unten).
Demonstrationen gibt es jedenfalls auch im Irak im ganzen Land, teils sind sie spontan, teils aber auch von den Iran-nahen schiitischen Milizen organisiert. In der Stadt Nasiriya griffen diese eine Gruppe von regierungskritischen Demonstranten an, die sich geweigert hatte, gebührend zu trauern.
Atomdeal de facto am Ende
Der Iran selbst reagierte derweil auf diplomatischem Wege, man werde sich nicht mehr an die Bestimmungen des Wiener Atomabkommens halten, weil auch die anderen Vertragspartner diesen nicht einhalten würden. Die befürchtete Ankündigung, die UranAnreicherung werde bis zu 20 Prozent gesteigert, blieb aber aus. Damit bleibt die „break-out time“, jene Zeit, die der Iran brauchen würde, um eine Atombombe zu bauen, weiter in einem für die internationale Gemeinschaft berechenbaren Fenster. Auch Kontrollen durch die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) will sich der Iran unterwerfen. Außenminister Mohammed Javad Zarif teilte mit, sein Land bleibe im Atomdeal – auch wenn sich Teheran de facto kaum mehr an eine der Beschränkungen hält.
International bleibt die Sorge vor einer weiteren Eskalation groß. Die EU-Außenminister wollen sich am Freitag bei einem Treffen austauschen. Deutschland warnte vor einer „explosiven Lage“, Kanzlerin Angela Merkel will zudem Samstag nach Russland reisen, um mit Präsident Wladimir Putin zu sprechen. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg übermittelte die „große Sorge“Wiens. Sein künftiger Chef, der designierte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), hat Sonntag in der Bild Verständnis für das US-Vorgehen geäußert. Dieses sei im Kontext des iranischen Vorgehens in der Region als „Reaktion“zu bewerten. Überraschend deutlich rief Saudi-Arabien am Montag zur Zurückhaltung auf. „Wir hoffen sehr, dass die Situation nicht weiter eskaliert“, so Außenminister Prinz Faisal bin Farhan. Dilemma für Großbritannien: http://dSt.at/grossbritannien