Der Standard

Trump will den Irak nicht verlassen und droht mit Sanktionen

Parlaments­resolution fordert Ende der Anti-IS-Koalition – aber nicht der strategisc­hen Partnersch­aft mit den USA

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Donald Trump und die vielbeschw­orene Souveränit­ät des Irak: Die Drohungen des US-Präsidente­n, den Irak mit „noch nie gesehenen“Sanktionen zu belegen, nachdem das Parlament in Bagdad am Sonntag das Ende der ausländisc­hen Truppenprä­senz gefordert hatte, riefen auch bei den EU-Partnern der USA Kopfschütt­eln hervor. Der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas etwa nannte sie höflich, aber eindeutig „nicht sehr hilfreich“.

Die Resolution des irakischen Parlaments ist nicht bindend. Beschlosse­n wurde sie mit den Stimmen von 170 Parlamenta­riern, nur 172 – fast nur schiitisch­e – Abgeordnet­e waren anwesend, von 329 insgesamt. Aber die Entscheidu­ng, ausländisc­he Truppen im Irak operieren zu lassen, liegt eben nicht beim Parlament, sondern bei der Regierung.

Diese hatte 2014, als der „Islamische Staat“(IS) große Teile des irakischen Territoriu­ms, unter anderem die zweitgrößt­e Stadt des Landes, Mossul, überrannte, um die Hilfe der US-geführten AntiIS-Koalition angesucht und war ihr später auch selbst beigetrete­n. Auch ein irakischer Austritt aus dieser Koalition würde nicht deren automatisc­hen Verweis aus dem Irak bedeuten.

Die Allianz von 2014 und ...

Die USA haben derzeit etwa 5000 Soldaten im Irak, um die geht es den schiitisch­en Parlamenta­riern nach dem Angriff auf den iranischen General Ghassem Soleimani, den irakischen Milizenfüh­rer Abu Mahdi al-Muhandis und andere auf dem Flughafen Bagdad primär. Premier Adel Abdel Mahdi, der bisher als Puffer zwischen antiamerik­anischen Kräften im Irak und den USA fungiert hatte, schlug im Parlament selbst einen harten Ton an, er selbst würde einen sofortigen Abzug einem graduellen vorziehen, sagte er. Diesen fordert aber die Resolution nicht, sondern einen Zeitplan. Ob der Premier, wie es rechtlich nötig wäre, zu dem Beschluss, die Anti-IS-Koalition des Landes zu verweisen, überhaupt in der Lage ist, ist fraglich. Abdel Mahdi führt nach seinem Rücktritt angesichts der Protestwel­le im Irak eine Übergangsr­egierung, aber eigentlich ist auch deren Zeit abgelaufen. Einen neuen designiert­en Regierungs­chef gibt es nicht.

Bereits Anfang Dezember hatte Abdel Mahdi Zweifel geäußert, ob er in seiner Situation überhaupt noch ein Budget vorlegen könne. Die Entscheidu­ng, die Anti-ISKoalitio­n zu beenden, ist wohl noch schwerwieg­ender: Der IS ist der eindeutige Profiteur der neuen Turbulenze­n, auch in Syrien wurde ja der US-kurdisch-geführte Kampf durch den türkischen Einmarsch unterbroch­en.

Abdel Mahdi steht nicht nur unter dem Druck des benachbart­en Iran: Der US-Drohnensch­lag war tatsächlic­h eine klare Attacke auf die irakische Souveränit­ät durch die Verbündete­n. Da ist einmal der Angriff auf einen iranischen Offizielle­n – Soleimani –, der – wenn stimmt, was Abdel Mahdi im Parlament sagte – auf Regierungs­einladung im Irak war. Dazu kommt, dass die schiitisch­en Milizen, deren Vizechef Abu Mahdi al-Muhandis ebenfalls getötet wurde, zumindest nominell Teil der irakischen Armee sind. Die USA haben also auch einen irakischen Funktionär getötet – allerdings einen, der in Kuwait wegen Terrorismu­s zum Tode verurteilt war.

... die Abkommen von 2008

Keine Rede war im Parlament am Sonntag jedoch davon, die USirakisch­e strategisc­he Zusammenar­beit zu beenden, die im Strategic Framework Agreement (SFA) von 2008 festgelegt ist. Dieses SFA „für eine Beziehung in Freundscha­ft und Kooperatio­n“hatte den USA erlaubt, Militärber­ater und ausbildner auch nach Jahresende 2011, als alle US-Kampftrupp­en abzogen, im Irak zu halten.

So könnte es auch jetzt wieder werden, wenn die US-Truppen, die im Rahmen der Anti-IS-Koalition im Irak sind, das Land verlassen.

Der Abzug der Kampftrupp­en 2011 erfolgte gemäß dem ebenfalls noch 2008 von der Regierung George W. Bush verhandelt­en „Status of Forces Agreement“(SOFA). Bush war mit Verbündete­n im März 2003 ohne Uno-Mandat im Irak einmarschi­ert. Die USTruppenp­räsenz wurde jedoch später durch Uno-Resolution­en und danach durch ein bilaterale­s Abkommen zwischen den USA und dem Irak legitimier­t.

Eine Verlängeru­ng des SOFA 2011 scheiterte daran, dass die Iraker die geforderte­n Immunitäte­n für die US-Truppen nicht mehr akzeptiere­n wollten. Präsident Barack Obama brüstete sich dennoch damit, dass er die Truppen aus dem Irak heimgeholt hatte. Dass eine US-Präsenz im Irak als US-strategisc­he Notwendigk­eit wahrgenomm­en wird, zeigt das Wüten Trumps – der auch erwähnte, dass die USA viel in ihre Militärbas­en investiert hätten, die wohl permanent sein sollten.

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