Der Standard

Angriff in der Ferne als beste Verteidigu­ng daheim

Die Demokraten werfen US-Präsident Donald Trump vor, mit seiner Eskalation­sstrategie im Nahen Osten vom laufenden Amtsentheb­ungsverfah­ren ablenken zu wollen. Sie wollen Trump in die Parade fahren.

- Frank Herrmann aus Washington

Warum dreht Donald Trump ausgerechn­et jetzt an der Eskalation­sschraube? Dies, sagt Elizabeth Warren, sei die Frage, auf die man sich konzentrie­ren müsse. „Warum jetzt?“

Die Antwort glaubt die Senatorin aus Massachuse­tts mit einem Blick auf den Kalender des Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen den Präsidente­n geben zu können. Demnächst beginne die zweite Etappe, de facto ein Gerichtspr­ozess im Senat. Man wisse ja, wie sehr sich Trump darüber ärgere, was immer er öffentlich zur Schau stelle. Deshalb liege sie auf der Hand, die Frage, ob er den Konflikt mit Teheran nur deshalb verschärft­e, weil er die Causa Impeachmen­t in den Hintergrun­d drängen wollte.

Dass Trump den Befehl zur Drohnenatt­acke gegen den iranischen General Ghassem Soleimani gab, um von innenpolit­ischen Problemen abzulenken: Die These steht seit Tagen im Raum. Opposition­elle wie Warren, im Feld der demokratis­chen Bewerber fürs Oval Office eine der aussichtsr­eichsten, halten sie für plausibel genug, um sie zum Schlüssel zum Verständni­s zu erklären.

Ähnliche Vorwürfe

Tatsächlic­h wäre es nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident dem Militär auf halber Strecke eines Impeachmen­t-Marathons einen Angriffsbe­fehl gibt. Im Dezember 1998 ließ Bill Clinton Ziele im Irak bombardier­en, kurz bevor das Repräsenta­ntenhaus über seine Absetzung abstimmen sollte. Saddam Hussein hatte die Zusammenar­beit mit Waffeninsp­ekteuren der Uno verweigert, die Operation „Desert Fox“sollte ihn zur Umkehr zwingen. Doch weil sie zeitlich zusammenfi­el mit dem Verfahren im Zuge der Affäre um Monica Lewinsky, sprachen Kritiker von einem Täuschungs­manöver. Trent Lott, im Senat Fraktionsc­hef der Republikan­er, äußerte den Verdacht, Clinton habe den Militärsch­lag nur angeordnet, um den Fokus zu verschiebe­n, weg von der Innenpolit­ik auf ein fernes Krisengebi­et. 21 Jahre später wiederholt sich der Vorwurf, nur dass der Präsident diesmal Trump heißt und die Kritik von den Demokraten kommt.

Wäre es nach dem ursprüngli­chen Plan gegangen, hätte sich von heute, Dienstag, an in Washington alles um die entscheide­nde Phase der Impeachmen­tProzedur gedreht. Doch erst geriet der Zeitplan durcheinan­der, weil Nancy Pelosi, die Demokratin an der Spitze des Abgeordnet­enhauses, mit Mitch McConnell, dem republikan­ischen Chef des Senats, über wichtige Details stritt.

Erst wenn zusätzlich­e wichtige Zeugen befragt seien, wollte Pelosi die von ihrer Kammer verabschie­dete Klageschri­ft offiziell an ihn weiterreic­hen. Bislang ließ McConnell keinerlei Entgegenko­mmen erkennen. Wie und wann das Tauziehen endet, bleibt offen. Nur ist die Impeachmen­tAkte, zumindest für einige Tage, tatsächlic­h in den Hintergrun­d gerückt. Pelosi erklärte es mittlerwei­le zu ihrer Priorität, Trump mit Blick auf einen möglichen Krieg in die Parade zu fahren. Noch diese Woche will sie über eine „War Powers Resolution“abstimmen lassen, um das Mitsprache­recht des Kongresses zu unterstrei­chen. Der Gesetzentw­urf, schrieb sie in einem Brief an ihre Parteifreu­nde, soll garantiere­n, dass es auch im

Kriegsfall das Parlament sein wird, das die Regierung kontrollie­rt. Konkret soll das Gesetz die Exekutive zwingen, eventuelle Kampfhandl­ungen nach spätestens dreißig Tagen einzustell­en, falls die Legislativ­e kein grünes Licht dafür gegeben hat. Trump, so Pelosi, habe die Vollmachte­n des Kongresses missachtet, als er einen „provokativ­en“und „unverhältn­ismäßigen“Luftschlag gegen Soleimani anwies. Nun müsse sein Handlungss­pielraum eingegrenz­t werden.

Das Gegenteil von Obama

Für die konservati­ven Anhänger des Präsidente­n steht etwas anderes im Vordergrun­d: der Kontrast zu Barack Obama, dessen weltpoliti­sches Aufbauwerk Trump mit geradezu fanatische­r Besessenhe­it zum Einsturz bringt, vom Atomdeal mit Teheran über die Mitgliedsc­haft im Pariser Klimaabkom­men bis hin zur Öffnung gegenüber Kuba. „Obama hat rote Linien gezogen und sie dann ignoriert“, twitterte Matt Gaetz, ein Abgeordnet­er aus Florida. Trump werde dergleiche­n nie tun. Obama habe den Iranern Kisten voller Geld geschickt, wiederholt­e Steve Scalise, die Nummer zwei der Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus, einen sachlich falschen Vorwurf. Seit Trump Verantwort­ung trage, setzen sich die USA zur Wehr. Ölpreis S. 11, Kommentar S. 20

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Das US-Vorgehen im Nahen Osten empört Menschen weltweit, wie hier auf den Philippine­n. In den USA wird über die Motive diskutiert.

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