Musikverein: 150 Jahre Weitergabe von Musikenergie
Ob die Gemäuer eines Musikraumes – wie jene des Goldenen Saals – so etwas wie ein Gedächtnis besitzen, lässt sich nicht verifizieren. Gleichermaßen bleibt offen, ob sie die Essenz jener Ereignisse, die sich in 150 Jahren angesammelt hat, für die Nachwelt als weiterzugebende Aura speichern. Dirigent Mariss Jansons muss daran geglaubt haben. Er sprach von der Energie des Hauses, die ihn erfasste, sobald er den Musikverein betrat.
Der Chef des Geburtstagskindes, Thomas Angyan, erinnerte an die Worte des verstorbenen Letten, der die Rekonstruktion des Eröffnungskonzertes (vom 6. Jänner 1870) hätte leiten sollen. In der Darbietung der Wiener Philharmoniker unter Semyon Bychkov schwang dann jedenfalls auch etwas vom Gedenken an Jansons selbst mit: in Bachs elegischem Adagio aus dem Violinkonzert EDur (BWV 1042), gespielt von Anne-Sophie Mutter, und auch in Schuberts a cappella zelebriertem Pax vobiscum D 551 – in der Version des Singvereins.
Immer wieder auch Spuren des Feierlich-Dynamischen: Beethovens durchaus fetzig dargebotene Ouvertüre zu Goethes Egmont oder die dann durchaus subtil erspielte Fünfte fielen in diese Kategorie. Dazwischen präsentierte sich Tenor Piotr Beczała als delikater Belmonte (mit Konstanze, dich wiederzusehen! – O wie ängstlich aus Mozarts Entführung). Da schimmerte jenes „Weltmeisterniveau“des Hauses durch, das die Festreden ansprachen.
In der seinigen outete sich Schauspieler Michael Heltau als begeisterte „Stimme des Stehplatzes“, während Altbundespräsident Heinz Fischer die These von der besonderen Musikalität des Alpenlandes aufstellte und dem Nachfolger von Angyan, also Stephan Pauly, alles Gute wünschte. Tatsächlich wird Pauly im heiklen Spannungsverhältnis von Tradition und Erneuerung zu agieren haben. Dies in einem Haus, das weiterfeiert. Etwa mit einem Tag der offenen Tür (am 29. Februar). Er schließt auch das Archiv mit ein, das die Energie und Aura der Musikgeschichte eindeutig verifizierbar in Dokumenten bewahrt.