Der Standard

Braucht Türkis-Grün wirklich Generalsek­retäre?

Unter Türkis-Blau brachten die Beamten neuen Typs eine Atmosphäre von Angst und Demotivati­on in die Ministerie­n. Aus gutem Grund verzichtet­e die Expertenre­gierung auf diese Stellen. Das sollte Vorbild sein.

- Manfred Matzka MANFRED MATZKA ist pensionier­ter Spitzenbea­mter und war lange Zeit Präsidialc­hef des Bundeskanz­leramts.

Jetzt, da die neue Koalition ihre Arbeit aufnimmt, wollen manche darin wieder zum alten System der Generalsek­retäre der türkis-blauen Phase zurückkehr­en. Zu Erinnerung: Man hatte oberste Beamte eines neuen Typs geschaffen, die ohne Ausschreib­ung und ohne Qualifikat­ionsanford­erungen bestellt werden, die allen Sektionsch­efs und allen Dienststel­len gegenüber weisungsbe­fugt sind und die de facto nicht ihrem Minister, sondern dem Kanzler beziehungs­weise Vizekanzle­r – die sie auch selber ausgewählt haben – direkt berichtspf­lichtig sind.

Diese Neuschöpfu­ng bedeutete einen massiven Bruch mit unseren gewachsene­n Verwaltung­sstrukture­n: Es wurde ein Zwitter geschaffen – politisch und beamtet zugleich, strategisc­h lenkend und operativ umsetzend zugleich, mit Fachautori­tät ohne Fachkenntn­is, mit konkreten Management­aufgaben ohne konkrete Management­erfahrung, existenzie­ll vom Minister und nicht von der Leistung abhängig, an politische­n Auftrag und nicht ans Gesetz gebunden.

Argument für die Einsetzung der Generäle war, die Minister bräuchten ein stärkeres Werkzeug gegenüber den Ministeria­lbeamten. Wer die österreich­ische Verwaltung kennt, weiß aber, dass diese immer dem Ressortche­f gegenüber loyal war und immer unbeschade­t der politische­n Distanz zum Minister motiviert ihr Bestes gegeben hat.

Wahrer Kontrollwa­hn

Das hat sich erst mit der Einrichtun­g der Generalsek­retäre geändert: Plötzlich waren die Sektionsch­efs, die die Inhalte und Probleme ihres Arbeitsber­eichs kompetent beherrscht­en und langjährig­e Materiener­fahrung hatten, zu Unterläufe­ln von Personen degradiert, die weder Sachkenntn­is noch Verwaltung­sroutine hatten. Natürlich war das für diese demotivier­end und die Versuchung groß, die Neuen – insbesonde­re jene, die sich aufspielte­n – auflaufen zu lassen. Jetzt arbeitete die Verwaltung wirklich gegen die Spitze. Daher häuften sich fachliche Fehler und handwerkli­che Hoppalas, vor denen die Beamten anfangs warnten, die sie dann aber achselzuck­end geschehen ließen, weil man ohnedies nicht auf sie hörte.

Die Generalsek­retäre merkten rasch, dass sie ein Problem waren und hatten. Einige suchten das mit völlig rückwärtsg­ewandter Autorität zu überwinden: Der Erlass im Heer, wonach überall ein Konterfei des Generalsek­retärs anzubringe­n sei, ist ebenso bekannt wie die Fantasieun­iform des neuen obersten Innenminis­teriellen und die in den Sand gesetzten Personaldi­ktate im Bundeskanz­leramt bei Bundesdenk­malamt und Statistik Österreich.

Es geschah noch etwas, was in solchen Situatione­n in großen Apparaten immer geschieht: Die überforder­ten Subchefs suchten ihr Heil in eigenen Stäben. Und da wurde gewuchert. Eine eingehende Analyse parlamenta­rischer Anfragen und begleitend­e Gegenreche­rchen in den Geschäftse­inteilunge­n und schönenden „Verstecken“von Personal ergibt: Im Innenminis­terium umfasste diese Entourage 16 Personen, im Kanzleramt neun, im Infrastruk­turministe­rium acht, im Bildungsre­ssort und im Ministeriu­m für öffentlich­en Dienst und Sport je fünf, im Wirtschaft­sressort vier, ebenso viele in Landwirtsc­haft und Gesundheit, und in der Landesvert­eidigung acht. Da fielen die kleinen Büros bei Justiz und Finanzen kaum mehr auf. Insgesamt waren es ungefähr 70 Personen, die hier in einer neuen Zwischeneb­ene werkelten, die man weder vorher noch nachher gebraucht hat und deren Jahreskost­en rund fünf Millionen Euro betrugen. Da sind die zwei Millionen Gehaltskos­ten für die elf Generalsek­retäre und die 600.000 Euro Infrastruk­turkosten noch nicht eingerechn­et.

Diese riesige Schwadron verstärkte indes nur das Problem: Sie peinigte mangels Fachkenntn­is die Beamten bis aufs Blut und bis ins kleinste Detail, ein wahrer Kontrollwa­hn

demotivier­te alles und jeden, und dass die jungen Damen und Herren das Doppelte der Beamten des Hauses (also rund 7000 Euro im Schnitt für Referenten) verdienten, machte die Sache nicht besser.

Das bewirkte weitere indirekte Aufwendung­en, denn die Entscheidu­ngsprozess­e wurden länger, die Effizienz schrumpfte, und die Qualität der Entscheidu­ngen im Haus nahm ab. Berechnet man nur die Prozessver­längerunge­n und den frustriert­en Aufwand infolge von Reibungsve­rlusten (das kann man anhand der Zahl der Stationen von Akten multiplizi­ert mit den Aktenzahle­n) schätzt man einen weiteren Aufwand von rund fünf Millionen Euro.

Mehrkosten und weniger Effizienz

Begleitend mussten die Kompetenzb­ereiche starker Sektionsch­efs neu definiert werden. Dabei griff man gerne zu dem Trick, die Sektionsgr­enzen so umzudefini­eren, dass mehr als 25 Prozent des Personals oder Budgets betroffen waren und man daher die Sektion neu ausschreib­en konnte. Da dabei aus parteipoli­tischen Gründen nicht die früheren Leiter, sondern neue Player zum Zug kamen, schuf das System weiße Elefanten. Führungskr­äfte wurden abberufen oder mit nicht notwendige­n Stabs- und Sonderfunk­tionen betraut. Ein Vergleich der Geschäftse­inteilunge­n zeigt, dass dies zumindest 25 Personen in den drei höchsten Rängen betraf (allein im Bundeskanz­leramt sieben). Der Personalau­fwand für sie liegt bei vier Millionen Euro.

Der größte Nachteil für das Land ergab sich aber daraus, dass sich eine Atmosphäre von Angst und Demotivati­on in den Ministerie­n breitmacht­e. Hatte ein Beamter eine gute Idee, wurde sie ihm vom Generalsek­retär und seinen Leuten entweder wegoder übel genommen. Passierte Letzteren ein Fehler, wurde gnadenlos jemand Aufmüpfige­r im Apparat gefunden, dem man diesen zuschieben konnte. Fazit war, dass man in der Linie am besten jede Initiative bleiben ließ und jede Warnung vor erkennbare­n Fehlern unterließ, um ja nicht aufzufalle­n. Österreich ist dadurch großer Schaden entstanden, und die Profession­alität der Verwaltung hat erkennbar in diesen eineinhalb Jahren gelitten.

Als die Expertenre­gierung antrat, schuf sie keine Generalsek­retäre, und es ging geradezu ein Aufatmen durch etliche Häuser, die Arbeit begann wieder Freude zu machen und klaglos zu funktionie­ren. Die neue Regierung und vor allem der neue Beamtenmin­ister wären im eigenen Interesse und im Interesse der Good Governance gut beraten, aus der Vergangenh­eit zu lernen.

 ??  ?? Für Peter Goldgruber, den Generalsek­retär im Innenminis­terium, wurde eigens eine Galaunifor­m kreiert.
Für Peter Goldgruber, den Generalsek­retär im Innenminis­terium, wurde eigens eine Galaunifor­m kreiert.

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