Der Standard

Alpinist der Eskalation­sleiter

- Frank Herrmann

Donald Trump mag den Nervenkitz­el. Er mag die Verunsiche­rung. In Konfliktsi­tuationen scheint er aufzublühe­n. Während Barack Obama, der Vorgänger im Weißen Haus, an dem er sich immerzu misst, geduldig Kompromiss­e auslotete, setzt er kompromiss­los auf den Einschücht­erungseffe­kt der US-Macht. Wer es wagt, sich mit ihm anzulegen, soll es bereuen, früher oder später.

So simpel scheint sie tatsächlic­h zu sein, die Denke des Mannes, von dem es heißt, er sei Anführer der freien Welt. Drohen die Iraner nach der Tötung von General Ghassem Soleimani mit Rache, legt er noch eines drauf und droht mit der Zerstörung von Kulturstät­ten, mit einem Kriegsverb­rechen. Den verbalen Tabubruch hat Trump noch nie gescheut. Und weil die sogenannte­n Erwachsene­n, die ihm Einhalt gebieten wollten, sein Kabinett längst verlassen haben, fehlt nun das nötige Korrektiv. Im engsten Kreis seiner Berater scheint er nur noch von Jasagern umgeben.

Was ein beratungsr­esistenter, impulsiver, noch immer recht unerfahren­er Egomane an Außenpolit­ik produziert, ist mit der Vokabel „erratisch“milde umschriebe­n. Gewiss, von den Instinkten her neigt er nicht dazu, zu intervenie­ren. Sein Wahlprogra­mm steht für Rückzug aus Krisengebi­eten. Doch was, wenn einer, der anderen nie das letzte Wort lässt, eine Sprosse nach der anderen die Eskalation­sleiter hinaufstei­gt? Ausschließ­en lässt sich nichts beim unberechen­barsten US-Präsidente­n aller Zeiten.

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