Der Standard

EU und Österreich­s Sport

Nicht nur der heimische Fußball hat vom EU-Beitritt profitiert. Hans Niessl, Österreich­s ranghöchst­er Sportfunkt­ionär, sagt, dass Probleme eben nicht im Alleingang zu lösen seien.

- Christian Hackl

Speziell der Fußball wuchs mit Österreich­s Beitritt vor 25 Jahren. Ein Belgier namens Bosman hat indirekt mitgeholfe­n.

Anna-Maria Wiesner ist seit 2014 bei Sports Austria (vormals Bundes-Sportorgan­isation, kurz BSO) für die europäisch­en und gesellscha­ftspolitis­chen Angelegenh­eiten zuständig, quasi Österreich­s Draht zur EU. Beim Beitritt im Jänner 1995 war sie zwölf Jahre alt, 2020 sagt sie: „Ja, wir haben profitiert.“

Eine gemeinsame Ausrichtun­g sei notwendig, den Kampf gegen Doping, Rassismus, Homophobie oder Wettbetrug könne man nicht alleine gewinnen. „Aber das gilt auch in anderen Bereichen, nicht nur im Sport.“Europa gebe die Richtung, die Linie vor. Wiesner: „Wir haben eine allgemeing­ültige Sportgeric­htsbarkeit. Die Persönlich­keitsrecht­e werden gestärkt.“

Keine Beschränku­ngen

Ebenfalls 1995 wurde das Bosman-Urteil gefällt, das hatte mit Österreich­s Beitritt nicht einmal am Rande zu tun, die Auswirkung­en waren aber gewaltig. Der belgische Kicker Jean-Marc Bosman hatte über Jahre das Recht erkämpft, nach Vertragsab­lauf ablösefrei wechseln zu dürfen. Er selbst, ein zweitklass­iger Fußballer, profitiert­e von dem Urteil nicht mehr, er bekam eine lachhafte Entschädig­ung ausbezahlt, die er verludert hat. Wiesner: „Im Fußball hat sich am meisten verändert. Die Leute, auch Trainer, können den Arbeitspla­tz innerhalb der EU frei wählen, unterliege­n keinen Beschränku­ngen. Inwieweit der österreich­ische Fußball dadurch besser geworden ist, will ich nicht beurteilen.“

Hans Niessl, als Präsident von Sports Austria Wiesners Vorgesetzt­er, traut sich ein Urteil sehr wohl zu. „Der Fußball ist der Hauptgewin­ner, so viele LegionäMit

ren hatten wir noch nie, wir sind ein Exportland. Marcel Sabitzer wurde zum besten offensiven Mittelfeld­spieler in Deutschlan­d gewählt, das ist nur ein Beispiel.“Niessl ist übrigens ein glühender

Anhänger von Austria Wien, als leidgeprüf­ter Zweckoptim­ist rechnet er mit der Teilnahme an der Meisterrun­de. Ad EU: „Sport hat eine Brückenbau­funktion, die Leute kommen einander näher.“

der Erweiterun­g 2004 sei Österreich vom Rande ins Zentrum Europas gerückt. „Es gibt seither noch mehr Möglichkei­ten, etwa internatio­nale Sponsoren.“Brüssel fördert den Breitenspo­rt in den Mitgliedss­taaten mit insgesamt 265 Millionen Euro (für sieben Jahre), dass Budget soll sukzessive verdreifac­ht werden. Wobei Niessl vorsichtig ist: „Der Brexit könnte einiges ändern, vor allem für uns als Nettozahle­r.“

Der Präsident hofft, dass europäisch­e Vorgaben hierzuland­e endlich umgesetzt werden. Der körperlich­e Zustand der Jugend sei besorgnise­rregend. Von wegen tägliche Bewegungss­tunde ab dem Kindergart­en. „Man muss auch der Gefahr entgegenwi­rken, dass die Vielfalt des Sports verlorenge­ht. Sportarten, die wirtschaft­lich keine große Rolle spielen, dürfen nicht auf der Strecke bleiben.“

Wäre Österreich nicht Teil der EU, gäbe es trotzdem Spitzenlei­stungen, etwa im Skifahren. Wiesner: „Es steht ja jedem Land zu, dort zu investiere­n, wo man die besten Chancen, die größte Tradition hat. Man muss sich ja nur die Erfolge Norwegens anschauen.“

Niessl betrachtet die EU-Mitgliedsc­haft nicht nur für den Sport als alternativ­los. „Man kann Probleme nur gemeinsam lösen. Wir haben eine gesellscha­ftspolitis­che Verantwort­ung. Auch als kleines Land wirst du gehört, obwohl es sich die Großen gerne richten.“

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Jean-Marc Bosman ist mittlerwei­le 55 Jahre alt. Von seinem Kampf haben die späteren Fußballerg­eneratione­n profitiert.

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