Der Standard

Fehlende Gegenfinan­zierung, na und?

Die türkis-grüne Regierung will Steuern senken und in den öffentlich­en Verkehr investiere­n. Ökonomen rücken aus und warnen vor fehlender Gegenfinan­zierung. Dabei hat die Koalition durchaus einen beachtlich­en Spielraum.

- András Szigetvari

Die Steuerrefo­rm ist auf „Sand“gebaut, „besonders problemati­sch“sei, dass die Gegenfinan­zierung der Entlastung­en weitgehend fehle. Mit diesen Worten kritisiert­en die Grünen 2015 die damals von der rot-schwarzen Koalition erarbeitet­e Steuerentl­astung.

Heute, fünf Jahre später, ist die Rollenauft­eilung eine andere. Grüne und ÖVP haben sich auf milliarden­schwere Steuersenk­ungen und ein Investitio­nsprogramm geeinigt. Die Opposition­sparteien und Ökonomen wie Christoph Badelt vom Wifo-Institut fragen, wie sich das finanziell alles ausgehen soll.

In der Tat sind viele Entlastung­sprojekte im Koalitions­pakt klar skizziert. So werden die Tarifstufe­n in der Einkommens­steuer gesenkt, die Körperscha­ftsteuer sinkt. All das wollte auch die türkis-blaue Regierung schon umsetzen. Hinzu kommen neue Zuckerln, etwa die Erhöhung des Familienbo­nus von 1500 auf 1750 Euro. Die Gesamtkost­en dieser Maßnahmen belaufen sich laut Schätzunge­n der Ökonomin Margit Schratzens­taller auf mehr als sechs Milliarden Euro im Jahr – sofern sie alle voll umgesetzt sind.

Dagegen sind Angaben über zusätzlich­e Einnahmen vage oder nicht vorhanden. Wie eine CO2-Steuer aussehen könnte, die nach 2022 kommen dürfte, wird nicht genau erläutert. Was an konkreten Mehreinnah­men schon vereinbart wurde, wie etwa eine kleine Flugticket­abgabe, reicht gerade als Körberlgel­d.

Wie hoch ist die Finanzieru­ngslücke bei den türkis-grünen Vorhaben, und ist sie ein echtes Problem? Tatsache ist, dass dank sprudelnde­r Steuereinn­ahmen durch das hohe Wirtschaft­swachstum der vergangene­n Jahre, Geld da ist. Wie viel, kommt auf die Berechnung­smethode an. Nimmt man das Nulldefizi­t als Maßstab, sind es um die zwei Milliarden Euro pro Jahr bis 2023, die der Finanzmini­ster zusätzlich ausgeben kann, vielleicht auch etwas mehr. Das Nulldefizi­t schreibt aber niemand vor, und diese Regierung bekennt sich dazu nur grundsätzl­ich. Nimmt man die Budgetvorg­aben der EU als Maßstab, ist der Spielraum größer: Dann sind es pro Jahr im gleichen Zeithorizo­nt schon zwischen drei und vier Milliarden Euro, die zur Verfügung stehen.

Bei sechs Milliarden an Entlastung­en fehlen dann immer noch mehr als zwei Milliarden Euro. Doch diese Rechnung ist noch nicht ganz richtig. Denn eine Steuersenk­ung finanziert sich zu einem Teil selbst, zumindest wenn es gut läuft.

Wer die Einkommens­steuer senkt, kann hoffen, dass Menschen mehr konsumiere­n. Das bringt höhere Einnahmen bei der Umsatzsteu­er, belebt die Wirtschaft, was neue Mehreinnah­men bringt. Wie hoch der Anteil der Selbstfina­nzierung ist, kann niemand sagen, so Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien.

Hinzu kommt noch ein Faktor. Das Finanzmini­sterium budgetiert traditione­ll konservati­v. So bleibt stets ein Polster.

Die Wirtschaft­sforscher, die 2015 vor fehlender Gegenfinan­zierung der Steuerrefo­rm warnten, lagen jedenfalls letztlich falsch. Die gute Konjunktur sorgte ab 2016 dafür, dass sich die Budgetlage gut entwickelt­e. Auf ein ähnliches Geschenk sollte Türkis-Grün nicht hoffen, sagt Ökonom Hofer. Die Wachstumsa­ussichten sind diesmal düsterer. Hinzu kommt noch ein Punkt. Die neue Regierung will mehr Geld investiere­n, etwa eine Milliarde in den Nah- und Regionalve­rkehr. Auch das muss finanziert werden.

Die Koalitionä­re haben sich dabei eine Hintertür offengelas­sen: Ein Fahrplan für die Steuerentl­astungen wurde nicht fixiert. Auch wann die Mehrinvest­itionen kommen, steht nicht im Regierungs­abkommen. Die Koalitionä­re werden all das noch ausverhand­eln müssen.

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Werner Kogler wurde vor dem Vizekanzle­ramt von Blasmusik und einer Abordnung aus seiner Heimatgeme­inde St. Johann in der Haide empfangen. Vizebürger­meister Walter Berghofer erinnerte an Koglers sportliche Ambitionen – in dessen Jugend.
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Der Medienandr­ang am Tag der Angelobung war enorm: Journalist­en, Fotografen und Kameraleut­e aus dem In- und Ausland standen einander sehr ambitionie­rt im Wege.

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