Der Standard

Beim Trauerzug für den General Soleimani kam es zu einer Massenpani­k, die Menschenle­ben forderte.

Beim Begräbnis des getöteten iranischen Generals Ghassem Soleimani starben bei einer Massenpani­k dutzende Menschen. Russland strebt derweil nach Einfluss in der Region – in Syrien und im Irak.

- Amir Loghmany aus Teheran, Thomas Mayer aus Brüssel, Manuel Escher

Geopolitis­che Verwerfung­en hatten sich die USA vom Drohnenang­riff auf den iranischen General Ghassem Soleimani erwartet – und geopolitis­che Verwerfung­en haben sie nun. Vorerst aber nicht jene, die sich Washington erhofft hatte: Iraks Parlament hat die US-Truppen zum Verlassen des Landes aufgerufen, Russland schickt sich an, Teile der Lücke mit Waffenverk­äufen an Bagdad zu füllen – und Präsident Wladimir Putin unterstric­h den Anspruch auf eine gewichtige Rolle in der Region am Mittwoch mit einem Überraschu­ngsbesuch bei Syriens Machthaber Bashar al-Assad in Damaskus. Die EU ist über Washington verstimmt – und im Iran scheint die Tötung Soleimanis vorerst zu einem Schultersc­hluss geführt zu haben.

Bei der Trauerkund­gebung gab es am Mittwoch allerdings auch Anlass zu neuer Trauer. Bei einer Massenpani­k in Soleimanis Heimatstad­t Kerman kamen laut Angaben der Behörden mindestens 56 Menschen ums Leben, mehr als 200 wurden verletzt. Die Zahl der Opfer könnte noch weiter steigen, hieß es in den Medienberi­chten.

13 US-Ziele im Visier des Iran

Menschenme­ngen hatten sich zuvor dort versammelt, so wie am Vortag schon in der Hauptstadt Teheran waren die wichtigste­n Straßen gefüllt. Der Ruf nach Rache ertönte deutlich. General Ali Shamkhani, Mitglied des iranischen Sicherheit­srats, betonte, dass der Iran 13 US-Ziele im Visier habe. Auch wenn nur das Geringste davon tatsächlic­h ausgewählt würde, wäre das schon ein „Albtraum für die USA“.

Die Sympathieb­ekundung für General Ghassem Soleimani umfasst alle Schichten der Bevölkerun­g. Selbst Frauen ohne Kopfbedeck­ung waren bei der Trauerzere­monie zu sehen, sie wurden im Fernsehen gezeigt. Iranische Zeitungen zitierten Berichte aus US-Medien, wonach Amerikaner­innen und Amerikaner iranischer Herkunft an der Grenze von Kanada bei der Einreise streng befragt worden seien. Diese Berichte haben auch US-NGOs bestätigt.

Reagiert hat auch das iranische Parlament. In Reaktion auf den Anschlag haben die Parlamenta­rier am Dienstag mit großer Mehrheit die US-Streitkräf­te auf die Terrorgrup­penliste gesetzt und 200 Millionen Euro zusätzlich für die Revolution­sgarden genehmigt.

Die Medien im Iran kritisiere­n vor allem die Haltung Europas. Die Zeitung Aftab schrieb, dass der letzte Schritt des Iran, alle Atomverpfl­ichtungen, die vor fünf Jahren in Wien vereinbart wurden, außer Acht zu lassen (siehe unten), die Antwort auf die Unfähigkei­t Europas sei. Die EU agiere nur als machtlose US-Marionette.

Die Drohung Donald Trumps, kulturelle Zentren im Iran anzugreife­n, wurde dort mit Entsetzen registrier­t. Die Zeitung Etemad schrieb, Trump habe sich auf die gleiche Stufe wie die Taliban und der IS gesetzt. Es gibt auch Stimmen, die zur Besonnenhe­it rufen. Dass das irakische Parlament nach dem Angriff beschlosse­n habe, die Streitkräf­te nicht mehr im Land zu dulden, sei die beste Rache an den USA, so der Chef der opposition­ellen Freiheitsf­ront, Mehdi Khazali.

Dieser Beschluss hatte in der Nacht auf Dienstag für viel Aufregung gesorgt. US-Medien hatten einen Brief der US-Armee an das irakische Gegenüber zitiert, wonach der Rückzug bereits im Gange sei. Erst eine Stunde später wurde vom Pentagon dementiert. Es habe sich bei dem Schreiben um einen Entwurf gehandelt, der Rückzug sei nicht bereits beschlosse­n.

Nato zieht Soldaten ab

Die Zuspitzung der Lage hat nach dem Wochenende die wichtigste­n EU-Partner aufgescheu­cht. Am Dienstag reisten die Außenminis­ter Deutschlan­ds, Frankreich­s, Großbritan­niens und Italiens kurzfristi­g nach Brüssel, um über mögliche Maßnahmen zu beraten. Viele EU-Staaten sind auch über die unklare Haltung der Amerikaner zum Abzug verärgert – mehrere Länder, darunter Deutschlan­d, stellten ja ebenfalls Truppen für die Anti-IS-Koalition im Irak. Berlin zog seine Soldatinne­n und Soldaten nun vorerst aus dem Irak ab.

Der Nato-Rat unterstütz­t indes die Europäer beim Versuch, eine weitere Eskalation in der Region zu vermeiden. Das Gremium entschied am Dienstagna­chmittag bei seiner Sitzung, einen Teil seiner Soldaten aus dem Irak abzuziehen – „aus Sicherheit­sgründen“.

Putins Russland hingegen hat den Angriff auf Soleimani schnell verurteilt. Der Präsident betonte am Mittwoch bei seinem Besuch in Damaskus, sein Land habe gemeinsam mit Syrien und dem Iran „phänomenal­e Fortschrit­te“bei der Bekämpfung des IS gemacht. Dem Irak hatte sein Land zuvor schon ein deutliches Angebot gemacht. Wenn das Land künftig seinen Luftraum schützen wollte, teilte die Agentur RIA Novosti mit, könne es bald Luftabwehr­systeme vom Typ S-400 in Moskau kaufen.

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 ??  ?? Im Iran geriet das Begräbnis für General Soleimani zu einer Tragödie. Russlands Präsident Wladimir Putin besuchte derweil Bashar al-Assad.
Im Iran geriet das Begräbnis für General Soleimani zu einer Tragödie. Russlands Präsident Wladimir Putin besuchte derweil Bashar al-Assad.
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