Der Standard

Sehnsucht nach ein bisschen Aufbruch

In Österreich tritt Türkis-Grün an, in Deutschlan­d hingegen herrscht weiterhin großkoalit­ionäre Unlust. Also denken CSU und CDU an eine Schmalspur­variante der Erneuerung: frische Gesichter für das Kabinett.

- Birgit Baumann aus Berlin

An seine Freunde denkt man auch in stressigen Zeiten. Im konkreten Fall also, während man auf der Klausur der CSU-Bundestags­abgeordnet­en im bayerische­n Seeon von Termin zu Termin hetzt. Kaum war die neue türkis-grüne Regierung in Österreich angelobt, da gratuliert­e der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder Sebastian Kurz schon auf diversen Social-Media-Kanälen.

Angela Merkel postete derweil in Berlin Bilder vom Empfang der Sternsinge­r bei ihr im Kanzleramt. Ein so großer Fan von Kurz ist sie ja – im Vergleich zu Söder – nicht. Dennoch: Der türkis-grüne Start in Wien wird auch in der CDU aufmerksam verfolgt. Schließlic­h bekommt Österreich nun jene Regierung, die auch in Deutschlan­d immer wieder als Option genannt wird.

Vor allem den Konservati­ven gilt Kurz als Vorbild: hart in der Migrations­politik und nun auch noch Klimaschüt­zer. In dieser Rolle gefällt sich vor allem Söder. Er legte in den vergangene­n Monaten in der Ökopolitik eine vielbeacht­ete Wende hin und gab der CSU einen grüneren Anstrich, inklusive mehr Schutz für die Bienen.

Grüne Parteien nicht vergleichb­ar

Ob er die neue Regierung in Wien als Vorbild sehe, wurde Söder in der Bild am Sonntag gefragt. Seine Antwort: „Leider“seien die deutschen Grünen mit den österreich­ischen nicht vergleichb­ar. Einen „klaren Kurs in der inneren Sicherheit“zu vereinbare­n wäre mit der deutschen Ökopartei „unmöglich“.

Doch ein bisschen mehr Strahlkraf­t und Aufbruch im Berliner Kabinett wünscht sich Söder schon, daher stellte er im selben Interview eine Forderung auf, die für viele Diskussion­en sorgt. Der CSU-Chef will neue Köpfe in der Regierung. „Das ist wie im Fußball: In der zweiten Halbzeit verstärkt man sich mit neuen und frischen Kräften. Wir sollten daher bis Mitte des Jahres das Regierungs­team verjüngen und erneuern. Denn es braucht Aufbruchst­immung“, meint er.

Wen genau er im Blick hat, verriet er nicht. Prioritäre Themen müssten aber für die Union „Innovation und Wirtschaft“sein, so Söder. Viele sehen damit Wirtschaft­sminister Peter Altmaier und Forschungs­ministerin Anja Karliczek angezählt, sie gelten seit längerem als Wackelkand­idaten in Merkels Team.

Allerdings, so munkelt man selbst in der CSU, könnte Söder seine Aussage auch auf

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) gemünzt haben. Der steht wegen des Mautdebake­ls schwer unter Druck. Offiziell hält Söder noch zu Scheuer, das könnte sich aber bei möglichen Verlusten bei den bayerische­n Kommunalwa­hlen im Frühjahr rasch ändern.

Merkel hält nichts von einer Kabinettsu­mbildung, CDU-Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r hingegen erklärte am Dienstag, bei ihrem Besuch in Seeon, das sei „eine Möglichkei­t“, die man im Laufe des Jahres besprechen werde. Überhaupt demonstrie­rten Söder und „AKK“am Chiemsee große Harmonie. Man werde natürlich „alle wichtigen Personalfr­agen, auch die wichtigste“, gemeinsam entscheide­n, betonte Söder.

Kanzlerkan­didatur gemeinsam klären

Gemeint ist damit natürlich die Frage der Kanzlerkan­didatur. Wie schnell dies passieren muss, ist derzeit noch unklar. Merkel selbst will bis zum Ende der Legislatur­periode im Amt bleiben. Viele in Berlin aber rechnen mit einem Ende der Koalition im Jahr 2020.

Zwar haben es die neuen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans mit einem Austritt aus der großen Koalition nicht mehr so eilig, wie es zunächst den Eindruck hatte. Doch sie stellen neue Forderunge­n auf, die bei der Union nicht gut ankommen: Weniger Rüstungsex­porte, Tempo 130 auf Autobahnen und höhere Steuern für Grundbesit­zer.

Einig sind sich Kramp-Karrenbaue­r (als Verteidigu­ngsministe­rin) und Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) jedoch in einer Sache: Wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran zieht Berlin seine 32 Bundeswehr­soldaten aus dem Irak ab. Sie werden nach Jordanien gebracht.

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CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und CSU-Chef Markus Söder wollen im Laufe der nächsten Monate über eine Kabinettsu­mbildung beraten.

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